Auf was für dumme Ideen kann man kommen? Diese Frage stelle ich mir oft, aber nie so oft wie bei dieser Reise. Am 19.12. wurde die Langeweile im Geschäft anscheinend so groß, dass ich meine Silvesterpläne überdenken wollte. Mal die Spielpläne, Flüge, Busse gecheckt und etwas Bemerkenswertes gefunden. Israel. Hin ab Memmingen am Freitagabend über Cluj für 100 EUR, zurück am Sonntagmittag nach Memmingen für 30 EUR. Ist es diesen Daytrip wert? Na sicher, dachte ich mir und fand im Sozialarbeiter auch direkt einen Mitstreiter, der bei dummen Ideen immer am Start ist. Leider motzt er dabei meistens etwas zu viel, erträgt es aber irgendwie. Spiele sollte es insgesamt drei geben, dabei ein U19 Spiel, eins in der ersten Liga und abends noch ein unterklassiges Gebolze. Dazu natürlich die Silvesterfeier am Strand von Tel Aviv, alles mit den Öffentlichen.
Der Freitag begann ganz entspannt im Geschäft, wirklich früher Feierabend machen musste niemand, da der Flieger erst um 20:30 Uhr an meinem Lieblingsairport in Memmingen abhob. Die Begleitung pünktlichst abgeholt, wunderte ich mich über seine Gepäckauswahl. Umhängetasche und Ende. Ich entschied mich neben Hygieneartikeln noch für eine Badehose und ein Handtuch, sodass es etwas mehr als nur eine Umhängetasche wurde. Die Karre wieder am bekannten Spot in Memmingerberg abgestellt und die letzten Meter Richtung Flughafen hinter uns gebracht, ging es schon an den Check-In und mit Wizz ab nach Rumänien.
Die Landung um kurz vor Mitternacht in der Provinz war unsanft, so dass wir aus unserem komatösen Schlaf geweckt wurden. Jetzt noch sechs Stunden rumbringen, bis uns ein weiterer Vogel der ungarischen Airline Wizz ins heilige Land bringen sollte. Und das war mit Abstand die unangenehmste Flughafennacht. Es war kalt, stank und auch die anderen Personen im öffentlichen Bereich des Airports machten für mich nicht den Eindruck, dass es sinnvoll war, hier neben seinen unbeobachteten Wertsachen zu schlummern. Wertsachen waren für mich in diesem Kontext aufgrund meines Gepäcks der Reisepass und meine Badehose. Der Sozialarbeiter schätzte die Situation ähnlich ein und mietete eine Kapsel eines ansäßigen Mobilfunkanbieters, in dem man ungestört sein Handy laden, WLAN nutzen und in unbequemer Position schlummern konnte. Die Einladung nahm ich gerne an und nutzte die Möglichkeit, meinem Rücken Schaden zuzufügen, da hier alles ziemlich eng, aber zumindest warm war. Irgendwann war dann die Zeit gekommen und die Sicherheitskontrolle machte auf. Zuerst mussten wir uns aber am Schalter der Airline vorstellig machen und unsere Pässe zeigen, damit wir den Boarding Pass freigeschaltet bekamen. Direkt erledigt und rein in den Luftbereich. Und holy, es war noch kälter als im Landbereich. Machste aber nix und verkrümelst dich im hinterletzten Eck. Zum Boarding schonmal eingeschätzt, wie voll der Flieger werden wird und es sah nach etwas Platz aus. So also wieder als Letzte durch die Flugzeugtür, damit man auch schnell aussteigen konnte und die Einreise nach Israel durch die Warteschlange durch die Mitpassagiere nicht noch langwieriger wird. Neben uns fand sich ein nettes israelisches Paar ein, mit dem wir ab ca. 30 Minuten vor Landung nicht uneigennützig zu quatschen begannen. Wir handelten eine Fahrgemeinschaft aus, für den Fall, dass mein Reisepartner und ich die Grenzkontrolle schnell passieren könnten. Da wir am Sabbat ankamen, fuhren keine lokalen Züge oder Busse vom Flughafen in die Innenstadt, so dass man auf die teuren Taxis angewiesen war. Da war es von Vorteil einen Local mit mobilem Internet und den nötigen Kniffen an der Seite zu haben. Da er und seine Frau auf Gepäck warten mussten, hielten wir es für realistisch sie am Gepäckband wieder zu treffen. Nach dem Aufsetzen der Räder und dem Halt am Arm um kurz nach neun, also direkt raus und Richtung Grenzer. Zuerst musste man sich an einem Automat aber eine Art Einreisevisitenkarte ziehen, die den Stempel ersetzt. Sonst kann die Einreise in andere Länder eventuell verweigert werden, da der israelische Stempel manchmal ungern gesehen ist. Mit der Karte in der Hand stellten wir uns in zwei verschiedene Schlangen, damit wir uns zum jeweils anderen umorientieren konnten, sollte eine Reihe deutlich schneller sein. Und tatsächlich fand sich an der Wartelinie meines Tourpartners eine Dame, die die Wartenden ablief, nur kurz die Pässe begutachtete und einem das Einverständnis zur Einreise über einen nach oben gezeigten Daumen gab. Wer diesen Daumen nicht bekam, musste sich weiter anstellen. Also wechselte ich kurz die Schlange und bekam wie der Sozialarbeiter eine positive Handbewegung zu sehen. Tatsächlich wartete unser Nebensitzer, der als israelischer Staatsbürger eine deutlich einfachere Einreise hatte, noch auf seinen Koffer, der aber just in diesem Moment an ihm auf dem Gepäckband vorbeifuhr. Perfektes Timing. Über eine lokale App bestellte er ein Taxi für uns alle. Die guten 30 Minuten Fahrt redeten wir über lokale Empfehlungen und Spots, die wir unbedingt abchecken sollten.
Nach dem gemeinsamen Ausstieg trennten sich die Wege und meine Begleitung und ich nutzen den kostenfreien Stadtbus in Richtung Stadtteil Neve Golan, wo es um Elf zu einer U19 Partie kommen sollte. Im richtigen Bus wiedergefunden, den Ausstieg nicht verpasst ging es zu Fuß erstmal zu einem lokalen Store. Am Airport wurde sich dank der guten Kreditkarte noch kostenfrei mit Bargeld zu einem anständigen Kurs versorgt, so dass man das Bier hier in bar Schekeln bezahlen konnte. 5 Minuten vor Anpfiff war der Ground bereits in Sicht und Hörweite, als wir bereits einen Pfiff des Schiedsrichters und ein Gewusel auf dem Kunstmuru beobachten konnten. Mit dem Bier in der Hand also im Sprint RIchtung Jugendspiel. Die Nachfrage bei einem der rund 50 anwesenden Zuschauern brachte die Erleichterung, dass dies tatsächlich erst der Anpfiff war. Also nichts verpasst, die hatten einfach nur Bock ein paar Minuten früher zu starten. Die unterhaltsame Partie in wirklich schöner Häuserblockatmosphäre und unter überdimensionierten Flutlichtern zwischen Maccabi Jaffa und Ness Ziona endete 3:0 für die Gastgeber aus dem Nachbarstadtteil. Der Ground verfügt über steinige Stehstufen auf einer Seite, besonders macht ihn aber der Blick auf die Häuserfronten.
Mit Abpfiff ging es wieder zu Fuß in Richtung einer Bushaltestelle, die uns so nah wie möglich in Richtung des “HaMoshava Stadium” bringen sollte. Dort sollte um 17:30 Hapoel Tel Aviv auf Maccabi Netanya treffen. Hapoel durfte aufgrund von Vorfällen beim letzten Derby gegen Maccabi Tel Aviv nicht zuhause im “Bloomfield Stadium” spielen, sondern musste an den Stadtrand ausweichen. Verstehe wer will. Tickets für die Gegentribüne konnten wir uns online im Vorhinein für umgerechnet 30 EUR ziehen, eine Tageskasse würde es keine geben. Also blieb nichts übrig als in den sauren Apfel namens eTicket zu beißen. Nun zurück in den Bus Richtung Nord-Osten der israelischen Küstenstadt. Wo wir am Ende genau ausstiegen, kann ich leider nicht mehr nachvollziehen. Aber wegen des Sabbats wurden nur wenige Verbindungen in der Innenstadt bedient, so dass wir nach dem Abklappern einiger Sehenswürdigkeiten noch immer grob eine Stunde neben einer Hauptstraße laufen mussten und gegen 16:30 Uhr am Stadion ankamen. Von Innen drangen bereits Gesänge nach aussen und so war unsere Lust gepackt den 2011 eröffneten Ground in Petach Tikwa zu entern. Normal tragen hier die beiden Vereine aus eben jener Kleinstadt vor den Toren Tel Avivs ihre Heimspiele aus. Ganz klassisch heißen auch diese beiden Clubs Maccabi und Hapoel. Kurz zum Hintergrund, Maccabi ist der Beiname eines Führers im Kampf gegen das vorgriechische Reich im sogenannten Makkabäeraufstand. Hapoel heißt übersetzt “Arbeiter”, also handelt es sich dabei um Vereine aus der Arbeiterbewegung. Zwischen beiden Lagern kommt es unabhängig der regionalen Herkunft immer wieder zu Auseinandersetzungen. Davon spürten wir beim Duell zwischen Hapoel Tel Aviv und Maccabi Netanya auch einiges. Die Abneigung des Gästeblocks gegenüber den Gastgebern war deutlich zu spüren und gerade vor dem Spiel ließ der Gästemob seine Pöbeleien nicht zu einem Ende kommen. Sehr amüsant anzusehen. Die Heimkurve auf der einzigen bebauten Hintertorseite ließ mit Spielbeginn den Gästen aber von der Lautstärke keine Chance. Sehr beeindruckend zu hören, wie sich die antifaschistische Szene in einen Rausch sang. Freundschaften pflegt man als linke Szene zu St. Pauli, Celtic Glasgow und Omonia Nicosia. Deshalb ist es auch kaum verwunderlich, einen Schwenker mit Che Guevara im Kurvenbild zu sehen. Spielerisch konnte das Spiel nichts nachhaltiges hinterlassen. Der Tabellenvierte, tatsächlich die Gäste aus der nur 30 Kilometer entfernten nördlichen Küstenstadt, trafen auf den im Abstiegskampf steckenden Elften. Überraschend ging der Gastgeber in Führung. Die Extase auf der Tribüne war wirklich sehr schön anzuschauen. Mit dem Ergebnis ging es auch in die Halbzeit, ehe die Gäste nach grob einer Stunde zum Ausgleich kamen. In der letzten halben Stunde habe ich nach knapp einem Jahr Retrospektive keine Ahnung was passiert ist, daher wird wohl nichts gewesen sein. Irgendwie hab ich nen verschossenen Elfer im Kopf, aber dazu nichts mehr gefunden. Nachdem beide Mannschaften in der jeweiligen Kurve empfangen wurden, wobei man dazu sagen muss, dass die Gäste neben unserer Gegentribüne standen, da die andere Hintertorseite ausser einer Anzeigetafel keinen Ausbau hat, machten wir uns auf den Weg zu der gegenüberliegenden Bushaltestelle. Ein Bus sollte uns so nah wie möglich nach Ramat Gan, einen zentralen Stadtteil bringen, da dort um 21:00 Uhr ein letzter Amateurkick stattfinden sollte. Du hast richtig gelesen, an Silvester, 21:00 Uhr Kick-Off. Der Traum. Irgendwann schaffte es ein Bus durch das Verkehrschaos an die Haltestelle und wir enterten, zahlten aber natürlich nicht für ein Ticket. Der Schwarzfahrländerpunkt muss ja auch hier mitgenommen werden. So waren wir rund eine Stunde vor Anpfiff am Zoo der Stadt, der als Hauptattraktion in diesem Stadtteil gilt. Deshalb nennt sich der direkt daneben liegende Ground auch “Safari”. Vor dem Anstoß unseres Viertligaspiels zwischen “HaMakhtesh Giv’atayim” und “Kafr Qasim” machten wir uns aber noch auf den Weg zu einem lokalen Imbiss und Falafel und Bier zu kaufen. Daneben gab es noch kostenfreien Krautsalat. Sehr zu empfehlen, auch wenn die Portionen nicht für den großen Hunger gedacht sind. Zurück zum Spiel auf einem weiteren Kunstrasen mit kleiner Tribüne. Nicht mehr als 15 Zuschauer hat das Spektakel angelockt, Eintritt wurde keiner verlangt. Aber ein dreiteiliges Schiedsrichtergespann, darunter eine Dame an der Seitenlinie, leitete die unterklassige Partie. Unterklassig war nicht nur die Liga, sondern auch das Happening auf dem Plastikbelag. Natürlich endet die letzte Partie des erfolgreichen Jahres 2022 mit 0:0. Danke dafür lieber Fußballgott und Gruß nach Ditzingen an den “Null-Null-Hopper”.
Mit Abpfiff dieses Grottenkicks und dem letztmaligen Streicheln des flauschigem Sicherheitspersonals, also dem Hund eben dieses Securitys, welche es bei jeder öffentlichen Veranstaltung in Israel gibt, ging es zu Fuß Richtung Strand. Eigentlich wollten wir einen Bus nutzen, jedoch kam dieser durch den sehr zähfließenden Silvesterverkehr nicht durch, so dass wir mit Paukenschlag Mitternacht noch wenige Minuten entfernt von unserem Ziel waren. Allerdings hat auch dieser Moment seine Zeichen, den wir liefen gerade am “Bloomfield-Stadium” vorbei. Mit Ankunft an der Anhöhe über dem Strand bewunderten wir das Feuerwerk, stießen mit einem Carlsberg an, und genossen die Zeit. Erst nach einer guten halben Stunde machten wir uns auf den Weg in die Altstadt und schauten uns die Aktionen der jugendlichen Einheimischen an. Wirklich viel Schwarzpulver wurde hier nicht verballert. Eher protze man mit seinen Autos oder trank genüsslich Alkohol. Das war uns zu uninteressant und so nutzen wir die nächtliche Action für Sightseeing und dem Genuss von vielen Speisen. Neben Falafel, Haloumi und dem Eis von “Golda Jaffa”, dass wir auf Empfehlung aus Waldems probieren mussten, kaufen wir auch eine Bäckerei gefühlt leer. Unsere Schekelvorrat fand aber irgendwie kein Ende, so dass wir es uns wirklich richtig gut gehen lassen konnten. Mittlerweile waren wir auch wieder am Hauptstrand angekommen, der Zeiger zeigte ungefähr Vier Uhr, und meine Begleitung hatte seine motzige Phase. Im WLAN, welches es an der kompletten Playa gab, suchte er jetzt nach Hotels. Nicht zu vergessen, dass wir uns gegen spätestens halb Neun wieder in Richtung Flughafen begeben mussten. Ich legte mich hingegen auf eine der Strandliegen und fand dort eine gute Stunde Schlaf in der Nähe des rauschenden Meeres. Meine Begleitung ging in dieser Zeit etwas spazieren und klapperte dabei tatsächlich Hostels ab, bei denen er etwas Zeit in den Lobbys verbrachte, da keine der Anlaufstellen ein Bett für den müden Sozialarbeiter hatte. Tragisch. Gegen Fünf fanden wir wieder zusammen und entschlossen uns den Strand in Richtung Norden abzulaufen, damit man einen schönen Sonnenaufgang anschauen konnte. An einem Strandbad fand der Monsieur allerdings eine bequeme Bank, auf der er sich eine gute Mütze Schlaf abholte, bis es wieder vollends hell war. Nun ging es also wieder zurück Richtung bekanntem Standabschnitt, denn das Wetter gab meinem morgendlichen Drang nach Schwimmen absolut grünes Licht. Kurz die Klamotten tauschen und das Handtuch ausbreiten und um halb 8te am 01.01. ins Mittelmeer. Wie genial kann ein neues Jahr starten?
Nachdem der Körper ins kalte Nass getaucht wurde und auch die Duschung erledigt war, machten wir uns auf den Weg zum Bahnhof, um von dort per Zug zurück zum Airport zu kommen. Vor der Ankunft wurde sich aber nochmal ein Bier gezogen. Damals floss der Alkohol bei mir noch, gute drei Wochen später entschloss ich mich aber nach einem Jahr exzessivem Konsum wieder damit aufzuhören. Aber noch ließ ich es mir schmecken und brachte auch den Sozialarbeiter wieder auf den Vorabendpegel, der schon immer wieder sehr witzig ist. Sehr zu empfehlen diesen Mann abzufüllen. Mit dem Bierchen im Magen ging es durch die Sicherheitskontrolle am Bahnhof, die abläuft wie bei uns am Airport. Man merkte, dass das Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung sehr hoch sein muss. Auch Angehörige des Militärs entdeckte man durchgängig. Egal ob im Dienst oder gerade auf dem Weg dorthin. So warteten auch am Bahnsteig unseres Zuges zum Flughafen “Ben Gurion”, der von dort aus noch weiter in den Osten des Landes fuhr, viele Militärs, die den Zug mit uns bestiegen. Am Airport angekommen versuchten wir erstmal die Logik hinter dem Abflugsystem zu verstehen. Zuerst musste man sich einer Befragung stellen, was man in Israel gemacht hat. Anschließend das Ticket am Desk holen und danach zur Sicherheitskontrolle. Mit tickender Uhr sollte man hier definitiv nicht ankommen, für den ganzen Prozess inklusive dem Warten an der Befragungsstelle und des ewigen Security-Checks war eine Stunde rum. Und mit dieser Wartezeit ist es für uns anscheinend schon gut gelaufen. Crazy, was andere von Ihrer Ausreise aus Israel berichten. Ich verstehe auch nicht, warum man bei der Ausreise ein größeres Heckmeck macht als bei der Einreise. Ins Land kommen war deutlich einfacher und unkomplizierter als wieder heraus. Aber müssen die Verantwortlichen selber wissen. Voller Müdigkeit schliefen wir quasi beim Betreten des Fliegers und der Positionierung auf unseren in Beschlag genommenen Sitzen ein.
Gegen 14 Uhr landete unser Flieger wieder im Allgäu. Die Passkontrolle und anschließenden Spaziergang hinter uns gelassen, fuhren wir die letzten Kilometer Richtung württembergische Landeshauptstadt und waren um viele Erlebnisse und vor allem einen Länderpunkt reicher. Danke an meine Begleitung, dass du die Nacht ertragen hast!
Prima Text!
Vielen Dank dir!