In Aberdeen fliegen Flaschen auf den Mob.

Dienstag, 03. Oktober. Feiertag. Was sich nach einem angenehmen Trippler unter der Woche anhört, beginnt um halb sechs mit dem zweiten Snoozen. Warum tut man sich das immer noch an? Duschen, Gepäck in den ryanairhandgepäcktauglichen Rucksack stopfen und ab dafür. Die Abholung um kurz nach sechs klappt ohne Probleme und mit einem kurzem Stopp an Peter’s Backstube werden auch noch Brezeln für den kurzen Hop nach Stansted eingeladen. Der Baden-Airpark am Arsch der Welt, kurz vor, beziehungsweise eigentlich in der französischen Prärie, je nachdem wen man fragt, bietet dank Rainer für 40 EUR den kostengünstigsten Ausflug über den verlängerten Feiertag auf die Insel. Also wie immer beim Boarding als Letzte in den Flieger, um sich eine Reihe im vorderen Bereich alleine zu sichern. Natürlich war man wieder erfolgreich und nistete sich in Reihe 4 ein. Die Stewardessen nahmen die Sitzplatzanzahl in ihren Abschnitten aber sehr ernst, also fühlten wir uns fast schon wieder gezwungen, auf die tatsächlichen Plätze in Reihe 11 und 17 umzuziehen. Doch zum Glück wurde im Umfeld bereits fleißig getauscht, so dass die Verwirrung der armen spanischen Flugbegleitung bereits auf dem Peak war und sie ihren Willen Ordnung zu schaffen aufgab. Auch mit zu vielen Passagieren in den ersten 6 Reihen landete der in Irland registrierte Vogel pünktlich am Groundhoppersehnsuchtsort Stansted. Da die Zeit aber untypischerweise diesmal nicht unser Problem war. hatte man alle Zeit der Welt für den Wechsel des Verkehrsmittels. Vom Flieger ging es nach der unkomplizierten UK-Einreise in den Bus. Die Briten fahren komplett auf die Fernbusschiene ab und so konnte frühzeitig ein Direktbus von Stansted nach Birmingham gesichert werden. Tipp: Günstiger wird es noch, wenn man Hin- und Rückfahrt zusammen und keine Einzelstrecken bucht.

Da man für das eigentliche Highlightspiel am nächsten Tag noch keine Karten im Vorhinein besorgen konnte, musste für den Schwarzmarkt auch ein Besuch am Geldautomaten eingeplant werden. Das klappte kostenfrei direkt am Airport, wenn man nicht den frechen Umrechnungskurs des Automaten akzeptiert, sondern auf die Umrechung der Hausbank wartet. Das Paar vor uns war wohl etwas in Eile und vergas beim Abheben tatsächlich ihr Geld mitzunehmen. Man ist ja eine ehrliche Seele und glaubt auch ein bisschen an Karma, also ein kurzer Sprint und 2 Fremden den Urlaub ein bisschen besser gemacht. Vielleicht hilft das für den Schwarzmarkt oder andere Wege am Mittwoch.

Die anderthalbstündige Wartezeit in einem der trostlosesten Räume ausserhalb der EU wurde mit Sightseeingplänen für Stopp 1, Birmingham, genutzt. Und tatsächlich brauchte man diese Zeit auch um was Sehenswertes zu finden, so dass die Begleitung diesen Teil als sinnvoll einstufte, wenn es jeden Abend des “Urlaubs” schon Fußball geben würde. Wobei, so schlimm ist es nicht. Wenn die Planung und das Wetter auf der Insel auch mal Luft hergeben, um sich nicht in einem Stadion oder einem Pub zu verschanzen, dann sollte das doch Zuneigung genug sein, oder?

Naja, genug zu meinem Frauenverständnis auf dieses Hobby und weiter im Bus. Die 4-stündige Fahrt wurde durch ein Nickerchen und einem halbstündigen Sightseeingspaziergang durchs, nach britischen Verhältnissen, sonnige Leicester sehr kurzweilig. Gegen 16:00 Uhr Greenwich Time fuhr der Bus bei leichtem Nieselregen in Birmingham ein. Auch klar, dass es während der ganzen Fahrt kaum Niederschlag gibt, aber 5 Minuten vor Ankunft der Himmel seine Pforten öffnet.

Aber es ist wie immer, man muss ja das Beste daraus machen. Also ab zu den Kanälen, für ein paar Bilder posieren und sich die alten Docks und Werften anschauen und dann ab in den nächsten Wetherspoon. Die preislich fairen Angebote mit Getränk wurden direkt per App an den Tisch bestellt und die Zeit bis Bahnabfahrt nach West Bromwich, genauer “The Hawthorn” wurde so im warmen Umfeld mit alkoholfreiem Cider, bitte seid nicht allzu enttäuscht, und vegetarischen Wraps, vertrieben. Die Straßenbahn erwies sich als beste Alternative, um zum Stadion zu kommen. Keine Barriere, die einen vom Schwarzfahren abhält und bei vielen Fußballfans in der Bahn wird dort sicher auch keiner kontrolliert werden. Denkste. Keine 2 Stationen gefahren, entdeckte mein auf Spähfähigkeiten trainiertes Auge einen scannenden Mitarbeiter der hiesigen SSB. Also an der nächsten Haltestelle raus, bevor er sich zu uns durchgearbeitet hat. Ging nochmal gut und die nächste Bahnabfahrt 7 Minuten später konnte easy in Kauf genommen werden, da man es noch knapp ne Stunde zum Anpfiff hatte. Auch der Punkt mit “vielen Fans” in der Bahn wurde komplett widerlegt, da die Briten, wie eigentlich auch bekannt ist, maximal 10 Minuten vor Anpfiff im Bereich des Stadionumfeldes aufschlagen. Naja, ab in die nächste Bahn und keine 30 Sekunden später steht auch hier ein Kontrolleur neben uns und will unsere Tickets für den ÖPNV scannen. Zum Glück konnte man sich mit seinem National Express Busticket, auf dem auf Deutsch der “kostenfreie Transfer ins Stadtzentrum” angepriesen wird, rausreden und es als “free transfer with local trains to the final destination” nahezu originalgetreu übersetzen. Der wirklich freundliche Mitarbeiter akzeptierte das ohne Umstände und gab uns sogar noch einen Tipp, wie man die eventuell auf uns wartende Barriere am gewünschten Ausstiegsort umgehen könnte, da wir ja nichts zum einscannen hätten. Soweit kam es allerdings nicht, da alle Ausgänge, wie den ganzen Trip über, offen waren. So hat sich die Karmaaktion am Flughafen am Morgen vielleicht schon teilweise ausgezahlt.

Von der Bahnstation zum 1900 erbauten Stadion “The Hawthors” des Stadtteilvereins West Bromwich Albion waren nur 5 Minuten Fußweg nötig und auch auf unseren Blockeingang liefen wir direkt zu. Als hätte es ein Experte geplant. Wir entschieden uns, da der Rucksack nirgends abgegeben werden konnte, direkt den Weg auf unsere Plätze anzutreten. Der Inhalt des Rucksacks wurde genau garnicht beachtet, so dass man wirklich alles hätte mit in den Ground nehmen können. Die für 17 Pfund gekauften Studententickets in Reihe 2 neben den Trainerbänken versprachen eine super Sicht auf das Spielfeld und man wurde nicht enttäuscht. Wirklich top, wie nah man tatsächlich am heiligen Rasen sitzt. Nicht so top war der erste Eindruck der Zuschauer. Das Stadion war nahezu leer. Und das eine halbe Stunde vor Anpfiff. Klar, England und spät kommen und so. Aber so viele und so spät? Ein kurzer Check bei Soccerway ergab eine Durchschnittzuschauerzahl von rund 22.000 bei den vergangenen Spielen und ein wenig Erleichterung machte sich breit, dass es nicht bei den bisher im Ground befindlichen 276 Fußballinteressierten bleibt. Die Zeit bis zum Kick-Off wurde mit Maskottchenshaming, Spieler- und Vereinsvergangenheiten, sowie dem Ordern von Tickets für den nächsten Trip genutzt. Zum ersten Punkt gibt es sofort was zu sagen. Wer zum Fick kommt auf die Idee sein Maskottchen zu versponsern? West Brom lässt einen Boiler durchs Stadion toben, um einen Wärmepumpenhersteller zu promoten. Natürlich gibt es noch als “richtiges Maskottchen” einen Adler, aber trotzdem läuft da ein Thermostat zu den Kindern um mit Ihnen ein Foto zu machen. Wer kommt auf sowas? Und was wird dafür gezahlt?

Irgendwann war das Stadion dann voll und auch die Gästesektion auf der Hintertorseite zu unserer Rechten war gut mit den Anhängern aus dem zwei Stunden entfernten Sheffield gefüllt. Der Tabellenletzte kämpft akut gegen den Abstieg und konnte in den bisherigen neun Ligaspielen erst zwei Punkte holen. WBA liegt mit seinen 13 Punkten hingegen gesichert im Mittelfeld und konnte mit einem Dreier einen Angriff auf die Aufstiegsränge vornehmen. Auch im Spiel zeigte sich der Tabellenunterschied sofort. West Brom zeigte sich sehr dominant und strukturiert, während Wednesday wirklich unsortiert wirkte und jeden Angriffsversuch mit einem langen Ball einleitete und so dreiviertel aller Bälle sofort wieder her schenkte. Es dauerte auch nur 13 Spielminuten bis das Heimteam das erste Mal den Ball über die Linie drückte. Die Stimmung im engen Stadion war bis dahin schon okay und wurde jetzt für englische Verhältnisse fast schon gut. Dies sollte aber nur kurz anhalten. Auch weil das Gebolze auf dem Rasen von Minute zu Minute unattraktiver wurde. WBA ließ Wednesday jetzt kommen und die zeigten was sie als Team können. Garnichts. Ich hab wirklich selten im professionellen Fußball einen so unsortierten Haufen auf einem Platz laufen sehen. Und das schreibe ich als VfB-Allesfahrer. Die 3 (!!!) schreienden Trainer bzw. Assistenten von Sheffield brachten mit Ihren Rufen, zumindest in Hälfte eins, keine Ordnung oder Stabilität ins Spiel. Das sollte, wie wir später noch erfuhren, auch persönliche Konsequenzen für die Männer an der Seitenlinie haben. Auf den Rängen übernahm von Minute zu Minute aber der Gast die Oberhand. Das änderte sich auch in Halbzeit zwei nicht. Der Fußball war zwar weiterhin nicht attraktiv, aber das Gepöbel auf den Rängen nahm langsam Fahrt auf. Das ist mir persönlich lieber als ein technisch gutes Ballgeschiebe. Auch wenn man es sich beim bisherigen Spielverlauf kaum vorstellen konnte, aber tatsächlich schafften es die Gäste ab Mitte der zweiten Hälfte immer wieder vor das Tor von WBA, aber die Kugel wollte einfach nicht über die Linie rollen. Die mitgereisten Anhänger pushten Ihre Mannschaft durch das ansonsten recht stumme Stadion so zum Limit, aber der Ausgleich wollte nicht mehr fallen und so verließen wir nach den obligatorischen 6 Minuten Nachspielzeit und dem Abpfiff unsere Plätze und machten uns auf den Weg zur Bahn in die Innenstadt, aus der unser Nachtbus nach Schottland, genauer Glasgow, um 23:00 Uhr abfahren sollte.

Mit dem ersten eingetüteten Ground des Trips sowie den ersten positiven Eindrücken im Gepäck befand man sich so im nächsten National Express und schlummerte bis zur Ankunft gegen 7 Uhr morgens so vor sich hin. Respekt an meine Reisebegleitung, aber für die heute hoffentlich anstehende Erfüllung eines Lebenstraumes würde ich diese kostengünstige, schäbige Art des Reisens auch als nicht hoppender Fußballinteressierter über mich ergehen lassen. Was macht man also Mittwoch morgens um 7 Uhr in der schottischen Hauptstadt bei leichtem Nieselregen? Genau. Ab in den nächsten Wetherspoon. Das Angebot des kostenfreien Refills für Kaffee, Tee und heiße Schokolade sowie ein english breakfast wurde angenommen und so der Plan für den Tag bei Hashbrowns und baked beans ausgetüftelt. Auch die Nutzung der sanitären Anlagen für die Pflege der Zähne wurde hier, ähnlich wie bei Flughafennächten, natürlich dankbar mitgenommen.

Wie sollte also der Plan für den Tag in Glasgow aussehen? Zunächst einmal etwas Sightseeing, bevor man im gebuchten Hostel das Gepäck abstellt. Dann zum Youth League Spiel und anschließend direkt zum Sehnsuchtsort meiner Begleitung, um dort den Schwarzmarkt zu studieren und erfolgreich in den Celtic Park zu gelangen. Soweit unsere Vorstellung. Im Pub sprach man noch den Celtic-Fan am Nebentisch an, der sich ebenfalls als Deutscher entpuppte und nur 2 Käffer neben mir aufgewachsen ist. Aber auch er hatte uns keine Kontakte für Tickets. Lediglich Tipps für Pubs um vor dem Spiel zu fragen. Zum Sightseeing muss man nicht viel sagen. Bei Regen wirken die Sand- bzw. Backsteinbauten nochmal trostloser und auch die Cementery bietet keine gute Aussicht. Also fußläufig zum Hostel, Rucksack abstellen und weiter zum Hampden Park, in dessen Schatten das Youth League Spiel zwischen Celtic und Lazio stattfinden sollte. Tickets konnte man bereits online für 10 Pfund ordern. Auch vor Ort in der Geschäftsstelle gab es noch einen Verkauf, so dass ich wieder versuchte, mir ein Papierticket zu angeln. Auf der Anlage des Queen’s Park FC fanden sich so gegen 14:00 Uhr Ortszeit etwa 200 Scouts, Hopper und fußballinteressierte Schotten ein, die bei mittlerweile nicht mehr nur als Nieselregen bezeichnetem Wetter ein munteres Auf und Ab der beiden U19 Teams beobachten konnten. Mitte der ersten Hälfte ging Lazio verdient in Führung, Celtic glich in der Nachspielzeit, kurz vor Ende des Spiels, durch einen unnötigen, aber richtigen Elfmeter noch aus. Guter Kick, netter Ground in abgeranzter Umgebung und das unter der Woche. Hat sich gelohnt!

Nun sollte es aber zum schwierigsten Part des ganzen Trips kommen. Ausverkaufter Celtic Park, Champions League Gruppenphase gegen Lazio Rom, jegliche Versuche im Vorfeld Tickets zu kaufen sind gescheitert. Ein nettes Gespräch auf der Tribüne des “Lesser Hampden” zuvor mit anderen schottischen Hoppern offenbarte, dass man es mal über Facebook versuchen sollte. Also wurde auch diese Option genutzt und tatsächlich kamen immer wieder Kartenangebote über eine mehr oder weniger offizielle Ticketbörse rein. Twitter kann man in diesem Kontext übrigens komplett vergessen. Nahezu nur Scammer unterwegs, zumindest in unserem Fall. Die Begleitung versuchte während unserer Busfahrt ins Umfeld des Celtic Parks über Facebook Kontakte zu knüpfen, während ich mich auf mein Gespür vor Ort verlassen wollte. Gut 3 Stunden vor Kick-Off standen wir nun vor dem mächtigen Ground des irisch geprägten Celtic FC. Zur Historie dieses legendären Fußballvereins muss man wohl nicht viele Worte verlieren.

Mein erster Weg führte zum “legalen” Ticketshop, um dort Mitarbeiter zu belabern, was aber wie erwartet nicht viel brachte. Zumindest konnte man so den Schwarzmarkt örtlich bestimmen. Auch der darauffolgende Weg in den Pub war nicht wirklich vielversprechend. Dort wurde man für unser Gesuch auch eher müde belächelt, da es “unmöglich” sei, für Celtic so Karten zu bekommen. Doch solche Aussagen hat man schon des Öfteren von Einheimischen gehört, bevor man doch noch auf ein Ticket für irgendeinen Bolz gestoßen ist. Mein letztes Beispiel dafür ist das Länderspiel Georgiens in Batumi. Mit dieser Hoffnung im Kopf probierte man noch den Weg zum Presseoffice, aber auch dort wurde man recht schnell abgewimmelt. Noch 2 Stunden bis Kick-Off. So langsam entdeckte man immer mehr Kartensuchende. Mit einem kleinen Geldbündel in der nach oben gestreckten Hand machten die Käufer auf sich aufmerksam. Rund um den Superstore und die Emirates Arena entdeckten wir mindestens 5 Personen um diese Zeit, die ein nicht auszumachendes Bündel in die Höhe streckten, aber damit noch keine willigen Verkäufer anlocken konnten. Ich entschied mich gegen diesen Weg und schrieb in mein Notizenfeld am Handy lediglich “Search Ticket” und stellte mich ein paar Meter vor eine Match Day Programm – Verkäuferin. Und wurde nach rund 10 Minuten tatsächlich von einem Schotten angeschaut. Auf mein “If u got one over I would take it” fragte er “Where are u from? And u are not a scammer?” Vielleicht war es tatsächlich von Vorteil in weiblicher Begleitung zu seinm um nicht als Ticketdealer zu gelten. “Na, we are from Germany and wanna watch Celtic the first time.” “I`ve got one, only one over.” Top. Preis? Tatsächlich Originalpreis. 57 aufgedruckt, 60 gezahlt. Und während dieser 2 Stunden des Spiels muss man dann auch nicht nebeneinander sitzen. Hauptsache drin. Noch ein kleiner Plausch mit dem Verkäufer über den Erfolg des VfB 2003 gegen United, welches er mit “yeah, u beated the shit out of them”, oder so, kommentierte und so hielt man das erste Papierticket in der Hand. Mittlerweile muss man beim Schwarzmarkt und den eTickets auch sehr vorsichtig sein, dass man kein 4 Mal ausgedrucktes Ding in der Hand hält und so am Eingang abgewiesen wird, da bereits jemand anders mit dieser Zutrittsberechtigung drin ist. Die nächsten 30 Minuten waren von wenig Erfolg geprägt. Bis auf ein paar mitleidige Blicke erntete man nicht viel, so dass wir uns ungefähr eine Stunde vor Kick-Off trennten. Die Trennung war zwar nicht der ausschlaggebende Punkt für das Angebot der zweiten Karte, aber trotzdem die richtige Entscheidung. Ich sah im Augenwinkel, wie ein Herr auf 2 Jugendliche mit ausgestrecktem Geld zuging und sprintete quasi auf ihn zu, fragte, ob er ein Ticket über hat und was er dafür wolle. Und auch dieses Ticket wechselte für den Originalpreis von 60 Pfund den Besitzer. Einen Anruf später und ich hatte die glücklichste Reisebegleitung neben mir stehen. Ein Lebenstraum stand kurz vor der Erfüllung.

Obwohl es noch ca. 45 Minuten bis zum Anpfiff waren, stürmten wir zu den Eingängen und probierten mit den ergatterten Karten unser Glück. Und ja, alles lief wie geplant, auch wenn ich mich im Unter- und meine Begleitung im Oberrang wiederfand, hatten wir beide das Privileg das Spiel live zu sehen. Die Zeit vor dem Kick-Off nutzte ich für eine Bilderrunde und knipste ein paar Erinnerungsfotos. Der Gästemob aus Rom enterte ca. 20 Minuten vor Anpfiff den Gästeblock, hängte aber weder Fahnen noch sonstiges Material auf. Zumindest war nichts erkennbar. Leider waren auch nur maximal 1500 Gäste anwesend, so dass ein Teil des Gästeblocks leer stand, bzw. von uniformierten Kräften aufgefüllt wurde, falls sich Meinungsverschiedenheiten bilden sollten. Ab ca. 10 Minuten vor Anpfiff begann sich das Stadion komplett zu fühlen. Meine Lust auf den mir zugewiesenen Platz war allerdings sehr gering, so dass ich auf der Gegentribüne blieb und mich ins Eck auf im oberen Unterrang in Reihe eins setzte, da die Übersicht auf beide Szenen von hier optimal war. Die 2006 gegründete “Green Brigade”, die sich im Eck zwischen einer Hintertor (Lisbon Lions Stand) und der Gegengerade (North Stand) breit gemacht hat, fing hier mit einigen Schwenkern und melodischen Gesängen an, die gegenüberstehenden Römer zu einem Duell auf den Rängen herauszufordern. Dass die Einstellungen der beiden Gruppen, vor allem auch politisch, unterschiedlich geprägt sind, sollte jedem Leser bewusst sein. Kurz vor dem Einlaufen wurde dieser Konflikt auch als Botschaft ins Stadion gebracht. Eine schöne Antifa-Blockfahne wurde über dem Heimanhang in Position gebracht. Das Ganze wurde mit etwas grünem Rauch aus wenigen, wenn nicht sogar nur einem, Rauchtöpfen untermalt. Die Blockfahne wurde sicher 5-10 Minuten oben gelassen, auch als bereits gespielt wurde. Aber der Reihe nach. Das “You`ll never walk alone” verursacht bei mir mittlerweile keine Gänsehaut mehr. Zu oft hat man diesen Klassiker bereits in Dortmund, Mainz oder sonstigen Kultvereinen bzw. auf Dorfsportplätzen gehört. Dachte ich. Alter scheppert das hier, man ist von seinem Unterbewusstsein gezwungen mitzusingen. Wirklich beeindruckend. Ob das in Anfield nochmal anders wirkt? Ich hoffe, dass ich das bald auch noch erleben darf. Auch die Champions League Hymne ist jedes Mal aufs Neue etwas Einzigartiges.

Mit dem Anstoß kam hier, anders wie im südlich angrenzenden England, Stimmung auf. Und das trug die Mannschaft. Bereits nach 12 Minuten verwandelte sich der 1892 eröffnete, aber seitdem mehrfach erweiterte und erneuerte Celtic Park in ein Tollhaus. Man muss hier einfach mitjubeln. Mein gefühlt 80 Jähriger Sitznachbar im “Jock Stain Stand” im Eck zum “North Stand”, tatsächlich wollte niemand auf den von mir beschlagnahmten Platz, drückte mich nach dem 1:0 halbtot. Aber das muss hier wohl so. Mit der Stimmung aufm Peak verwandelte sich das Spiel in einen komplett offenen Schlagabtausch mit offensiv stärkeren Römern. Die Celtic Defensive machte ihren Job mehrfach gut, aber nach einer groben halben Stunde kamen die Römer tatsächlich zum Ausgleich, auch wenn dieser nach einer Ecke in dieser Situation etwas glücklich fiel. Nun neutralisierten sich beide Teams, ehe der Ref zur Halbzeit pfiff. In dieser wurde der Gewinner von vorher verkauften Losen gezogen und sonstige kleine Spielchen veranstaltet, damit der Supporter unterhalten war. Viele verließen ihren Platz allerdings und verschwanden in den Katakomben. Mit Beginn der zweiten Hälfte ging auch hier etwas an Stimmung verloren. Die Schlachtrufe der Gäste waren schon von Anfang an nie wirklich bei mir angekommen, ausser dem Torjubel hatte ich wirklich wenig vernommen. Ob das allerdings an einem starken Auftritt des Heimpublikums oder den enttäuschenden Gästen lag, mag ich nicht beurteilen. Erst zur 80sten Minute bebte das Stadion wieder. Einen Angriff vollendet Celtic zur nicht unverdienten Führung und wieder lag ich wildfremden Menschen in den Armen und schüttete Glücksgefühle aus. Fußball, du bist einfach geil. Darf man sich als eigentlich neutraler Hopper so freuen? Gegen Lazio schon, denke ich mir und klatsche mit den nächsten in grün gekleideten Anhängern ab. Doch dann das Böse erwachen. Das Krebsgeschwür namens VAR meldet sich und verkündete eine Abseitsentscheidung. Tor zählt nicht. Meine Aussage ein paar Zeilen weiter oben korrigiere ich. Moderner Fußball, du bist einfach scheiße. Aber was will man dagegen machen? Das Daumen wund drücken und Chants mitsingen brachte leider nichts, denn Fußballspiele machen das, was Fußballspiele immer machen. Fünfte Minute der Nachspielzeit, kurz vor Ende der Partie. Der unter Applaus eingewechselte Carter-Vickers verlor in der eigenen Hälfte den Ball und musste zusehen, wie Lazio zum 1:2 traf. Wie der Mob der Römer sich eingepfercht im Eck freute, war schon ansehnlich, auch wenn sich meine Sympathien für diesen Verein in Grenzen halten. Einen Angriff konnte der Gastgeber noch fahren, aber dieser verpuffte in der Luft. Viele Anhänger verließen das Stadion schon währenddessen, andere standen nur klatschend da und zogen der Mannschaft den Applaus, den sie nach der Leistung eigentlich auch verdient hat. Eine Punkteteilung wäre definitiv gerechter gewesen, in der Schlussphase war Celtic sogar stärker. Aber auch so kann es eben sein, um in der Rhetorik von vorher zu bleiben. Fußball, du bist einfach ungerecht. Mit Abpfiff leerte sich das Stadion schnell, “The Bhoys”, wie der Spitzname der 1888 gegründeten Schotten lautet, liefen noch eine Runde auf dem heiligen Grün und verabschiedeten sich von den Fans.

Ich blieb noch eine gefühlte Ewigkeit auf einer Stange sitzen, machte Fotos und ließ den Abend mit dem Blick über das leere Stadion sacken. Was habe ich hier gerade erleben dürfen? Meine Begleitung macht im Oberrang parallel das Selbe, wie sie eine halbe Stunde später beim Treffpunkt vor dem Celtic-Superstore erzählte. Der Zeiger zeigte mittlerweile kurz vor 11, unsere Müdigkeit machte sich langsam bemerkbar und im Hostel eingecheckt hatten wir auch noch nicht. Kurzer Fußmarsch zur nächsten Bahnstation, von der uns ein Zug innerhalb weniger Minuten ins Zentrum der schottischen Hauptstadt bringen sollte. Doch natürlich machten die Insulaner auch hier, was sie immer machen. Anstehen. Die Queue ging ungelogen 500 Meter und jeder stand in Reih und Glied, jeder Militäroffizier wäre stolz. 3 abgefahrene Bahnen später saßen wir endlich in einem Sitzplatzabteil und könnten es kaum erwarten im Bett zu liegen. Der Check-In im Hostel war äußerst unkompliziert, so dass erstmal noch eine kleine Dusche vor dem Schlafen anstand. Da der Bus Richtung Aberdeen, wo am darauffolgenden Tag das nächste Spiel des Trips war, für mich eigentlich der Grund des kleinen Ausflugs, auf uns wartete, erst kurz nach 10 Uhr abfuhr, hatten wir gut Zeit um auszuschlafen. Nachm Duschen war das Bett in kürzester Zeit bezogen und in ungelogen 2 Minuten befand ich mich im Land der Träume.

Erst um kurz nach 9 erwachte ich aus meinem komatösen Zustand und stellte erschreckend fest, dass auch meine Begleitung noch im Land der Träume schlummerte. Ein bisschen YouTube und Nachrichten später war auch sie wach und wir beschäftigten uns mit den wichtigen Themen wie Körperhygiene und Klamottentrennung. Das wir beide unseren “Schmutzklamottensack” vergessen hatten war selbstverständlich, so wurde eine noch unbenutzte Mülltüte aus dem Hostel eben umfunktioniert. Funktionierte auch. Ohne Frühstück wurde so wieder aus dem Hostel ausgecheckt und sich direkt zum nächsten Saintsbury begeben, um sich für den Tag einzudecken. Bananen, für jeden ein MealDeal, Getränke. Und dann ab zum Busbahnhof und nach Aberdeen. Dort sollten wir gegen 13:00 Uhr eintrudeln und etwas später auf meine Freunde aus Finnland treffen. Im besten Wettbewerb Europas, der Conference League, trafen HJK Helsinki und der FC Aberdeen aufeinander, was für mich ein Grund war, in die schottische Prärie zu fahren und meine Freunde zu unterstützen. Die Busfahrt wurde mit dem Schreiben der ersten Zeilen des Berichts gefüllt, so dass die Zeit recht schnell verging. Bei leichtem Niesel in der Küstenstadt war das Sightseeing in einer Stunde abgearbeitet und wir begaben uns wieder in Richtung des Busbahnhofs, da ein Teil der finnischen Reisegruppe mit derm Bus aus Edinburgh eintrudelte. Die bekannten Nasen wurden schnell erspäht, es gab es lange Umarmungen, kurze Vorstellungen und die direkte Kommunikation des Plans für die nächsten Stunden. Der Rest der ungefähr 40 Anhänger aus der finnischen Hauptstadt hatte sich bereits in einer Kneipe 10 Minuten vom Busbahnhof breit gemacht, außerdem wurden rund 15 Leute des schottischen Freundes Motherwell erwartet, so dass man sich auf einen entspannten Tag im Pub einstellte. Das Wetter gab eh nichts besseres her. Unser Gepäck noch kurz im AirBNB der Freunde losgeworden, schlenderte man entspannt zum Pub und traf dort auf die nächsten gut gelaunten Gästefans. Über die nächsten Stunden brauche ich keine Worte verlieren. Ausser guten Gesprächen, Kontakte knüpfen und einigem an (alkoholfreiem) Bier und Cider lief hier nicht viel. Vielleicht kann man erwähnen, dass die Bullen immer mal wieder reinschauten, ob hier noch alles nach Plan lief.

Gegen 18:45 sammelte sich der Mob vor der Kneipe und lief mit Polizeischutz in Richtung des 1899 eröffneten Pittodrie Stadium, das direkt neben dem Friedhof und am Strand liegt. Bereits nach wenigen Metern flogen die ersten Flaschen in Richtung unseres Mobs von einer Fankneipe der Gastgeber. Ein paar ausgetauschter Nettigkeiten und auf den Asphalt gezauberte Scherben später wurde die Präsenz der Staatsmacht erhöht und der Marsch nahm an Tempo auf. Was ich aber noch nicht erlebt habe, war ein kollektiver Halt vor einem kleinen Getränkestore aka Späti, damit sich der Mob nochmal mit Bier eindecken konnte. Absolut geil! Die restlichen rund 15 Minuten Karawane, übrigens geführt von einem 19 Jährigen mit Google Maps, wurden mit Gesängen auf Kauderwelsch und Beleidigungen an vorbeifahrenden Schotten gefüllt. Einfach eine gute Zeit. Nun kam der Teil, der auch in der Vorbereitung ein wenig Kopfzerbrechen bereitet hat. HJK hat den Verkauf der Gästetickets stabile 4 Tage vor Kick-Off gestartet, da der Verantwortliche im Urlaub war. Stark. Nicht, dass man Angst hatte, bei der Masse an Gästefans leer auszugehen, aber man hat halt schon gerne ne Bestätigung, dass man sicher reinkommt. Aber dann gab es irgendwann den Link und die Tickets konnten geordert werden. Zumindest fast. Kein Verkauf an Ausländer, also ist man eben Finne. Nur ein Ticket pro Account, Abholung mit Reisepass vor Ort. Stabiler Hase. In der Hoffnung, dass vor Ort auf die Nationalität geschissen wird, da der Name ja passt, wurden mal über 2 finnische Accounts 2 Tickets geordert. Zahlung per deutscher Kreditkarte ging auch nicht, also nutzte man die finnische Handynummer des Kollegen für mobile Pay. Einfach nice, Dinge für reisende Fußballfans so einfach zu gestalten. Aber egal, Nun lief man eben küstennah am Friedhof vorbei und sah das Stadion vor sich. Die letzten Becher und Dosen wurden geleert und das Tickethäuschen, in dem alle handgezählten 65 Tickets zur Abholung bereit lagen, gestürmt. Name stand auf der Liste, Ticket in der Hand und ab in den Block. Das man mit nem Locher auch noch 2 Löcher ins Papier stanzen muss verstehe ich nicht, aber egal. Hauptsache Papierticket und drin. Die Finnen fingen erstmal an, ihre Zaunfahnen aufzuhängen bzw. über die ersten 3 Sitzreihen zu kleben, während ich den Kontakt mit den Ordnern suchte, um Zugang zu den besten Bilderpositionen zu erhalten. Klappte so semi. Aber auch egal, die 30 Minuten bis zum Anstoß meiner ersten Conference League Partie vergingen durch dummes Gelaber und Provokationen an den Nebenblock wie im Flug. Highlight definitiv der gemeinsame Gesang, dass die Gegenseite nur Schafe bebeischlafen würde. Absolut überragend. Zum Einlaufen präsentierte die doppelstöckige Hintertorseite, die auch die modernste der 4 Tribünen ist, eine schöne Choreo mit farbigen Papptafeln. Ob dahinter allerdings der Verein oder die gegenüberliegende Ultrá-Gruppierung steckte, ließ sich für uns nicht erkennen. Der eine Rauchtopf, der auf der deutlich älteren einstöckigen Hintertorseite der 2022 gegründeten “Ultras Aberdeen” gezündet wurde, war aber deutlich auf diese zurückzuführen.

Zur ersten Hälfte brauche ich nicht viel sagen, sportlich ist der Wettbewerb maximal auf Niveau der Verbandsliga Württemberg. Was ein müder Kick ey, zum Glück konnte man sich auf den Rängen mit den Schotten im Nebenblock gut beleidigen. Auch wenn ich meinen finnischen Wortschatz lediglich um Beleidigungen und sarkastische Sprüche erweitern konnte, habe ich aus der Zeit sehr viel Positives gezogen. Auch einzelne Blickduelle und Fingerzeige zwischen übermütigen Finnen und schottischen Jugendlichen gehörten zu dieser Hälfte und eskalierten in der Halbzeit ein wenig, als sich der aus ca. 30 Mann bestehende Mob nach oben bewegte, um sich neben Zaun am Essenstand nett nach dem gegenseitigen Instagram-Handle zu fragen. Anscheinend wurde aber, wie später noch kommuniziert wurde, zumindest eine Handynummer ertauscht. In der zweiten Hälfte sah man ein anderes Spiel auf dem Feld. Die vorher stärkeren Gastgeber wurden fahrlässig und kassierten vollkommen verdient das 0:1. Wahre Extase im Gästeblock, die Fingerzeige wurden nochmals gesteigert und auch ich suchte mir eine Glatze auf der Doppelstocktribüne, die sich wunderbar provozieren ließ und wiederholt aufstand um Masturbationsbewegungen in unsere Richtung zu zeigen. Nachdem diese Person das dritte Mal von hiesigen Securitys zum Sitzen bewegt wurde, nahm sich der gesamte Gästeblock dieser Situationskomik an und schickte einen netten Gruß in seine Richtung. Er gab es auf und ignorierte uns fortan. Mit der Führung im Rücken machte auch der für mich unverständliche, aber melodische Support viel Spaß und wurde bis zum Spielende durchgezogen. Leider kassierte man 10 Minuten vor Schluss noch den Ausgleich, der aber von den Kräfteverhältnissen definitiv in Ordnung ging. Mit dem Endergebnis kann am Ende keine Partei wirklich leben, wenn man in der Gruppe mit Frankfurt und PAOK weiterkommen will, aber das ist egal. Jedes Spiel genießen, dass man auf europäischer Bühne mitnehmen kann. In diesem Sinne freue ich mich, im Dezember im Gästeblock in Thessaloniki mit wahrscheinlich 20 weiteren Finnen zu stehen. Aber die Zeit für den Abschied war noch nicht gekommen, erstmal müssen die Spieler gebührend verabschiedet werden. Eine Spielerhose wechselte dabei den Besitzer und landete im Fanblock.

Nach einer ca. 30 minütigen Blocksperre setzte sich der Mob unter Begleitung der Staatsmacht in Bewegung und ließ sich im zentralen Wetherspoon nieder, wo ich und meine Bagage sich neben dem ein oder anderen Cider noch etwas Kulinarisches gönnten. Der große Teil war noch motiviert und lies die Leitung des Telefons glühen. Anscheinend sollte es noch rund gehen und man verabredete sich mit Sportlichen aus Aberdeen. Physischen Kontakt gab es meines Wissens aber keinen mehr. Gegen Mitternacht verließ man den Pub um das Schlafdomizil unserer Kontakte aufzusuchen und unser Gepäck wieder an uns zu nehmen. Allerdings verbrachte man noch ne Stunde mit dem Schauen von Highlights des Spieltages, so dass die Wartezeit für unsere Busrückfahrt sehr verkürzt wurde.

Für mich und meine Begleitung ging es gegen 2 Uhr nachts wieder Richtung Glasgow. Die Fahrt wurde komplett verschlafen und nach dem Ankommen erstmal am Busbahnhof breitgemacht. Der Plan war, dass man mit Öffnung um 7 Uhr im bereits bekannten Wetherspoon am George-Square frühstückte und unlimitierte heiße Schokolade in sich schüttete, bis um 9 Uhr der nächste Bus zurück nach Birmingham fuhr. Gesagt getan nutze man neben einem english breakfast und der Getränkeflatrate auch wieder die sanitären Anlagen um sich frisch zu machen. Wer braucht schon ein Hostelbett, wenns auch schäbiger geht? Irgendwann befand man sich dann wieder im Bus nach Birmingham und kam dort gegen 16 Uhr an. Diesmal überließ ich wieder der Begleitung den Plan für die restlichen Stunden bis zum Duell in der Championship zwischen Birmingham City FC und dem Nachbarn West Bromwich. Ihr Plan führte uns erstmal in die Innenstadt, vorbei an der Kathedrale und der modernen Bibliothek wieder zu den Kanälen. Ich hätte echt nicht gedacht, dass sich Sightseeing in Birmingham lohnt, aber tatsächlich hat sich die Stadt deutlich positiver in mein Gehirn gebrannt als vorher gedacht. Um mal etwas Abstand von der oft besuchten Pubkette zu bekommen, setzten wir uns direkt am Kanal in das “Malt House”, dass meiner Begleitung von früheren Besuchen bereits bekannt war. Das hier der ein oder andere Euro mehr flöten geht als woanders, war für mich akzeptabel, da man für das spätere Spiel nur Kinderkarten für 5 Pfund geordert hatte. Daher war wieder etwas Budget frei um sich ungesunde Mac n’Cheese in den Schlund zu stopfen. Die Portion hätte etwas größer sein können, aber etwas zum Hadern findet man immer.

Mit der vergehenden Zeit im Nacken entschlossen wir uns den Fußweg von 5 Kilometern in Richtung Stadion anzugehen und waren so planmäßig um halb Acht vor Ort um eine eventuelle Problematik mit Rucksack und Kinderticket noch lösen zu können, ohne das Spiel zu verpassen. Natürlich wurde man von unfähigen Ordnern auf die falsche Seite gescheucht, urinierte druckbedingt in eine ruhige Ecke des etwas heruntergekommenen Wohngebiets, und noch unfähigere Ordner ließen mich mit meinem Ticket in den falschen Block passieren. Die Begleitung hatte das “Glück” einer laschen Kontrolle nicht und musste draußen warten. Nach mehreren Minuten Funkstille stand sie plötzlich doch neben mir, da andere Ordner wohl auch nachlässig waren. Auf unsere Plätze in der ersten Reihe kamen wir mangels Durchgang nicht, also stellten wir uns vor die VIP Plätze neben viele andere Heimfans. Ein kurzer Blick ins Rund ließ erkennen, dass der Unterrang auf der Gegentribüne gerade in Safe Standing umgebaut wird. Auf einer der Hintertorseiten war der Umbau bereits teiweise abgeschlossen, so dass sich dort ein stehender Mob positioniert hatte. Auch unsere inoffiziellen Stehplätze wurden anstandslos akzeptiert. Stimmung war überraschend gut. Mit BCFC hatte ich bis dato wenig Berührungspunkte, ausser, dass ich das Emblem cool finde. Aber anscheinend sind die Lads auch in der Stimmungs- bzw. Pöbelskala auf der Insel recht weit oben. Gefällt mir. Angefangen wurde jedenfalls mit netten Worten an den Nachbarn, dessen Fans sich auf der von uns aus linken Seite der gegenüberliegenden Hintertorseite positioniert haben. Ein wenig Support kam auch aus dieser Ecke, allerdings ging das meiste durch die Heimlautstärke verloren. Direkt nach dem Anstoß fiel das 0:1, so dass ich mich auf deutlich weniger Stimmung und schlechte Laune um mich herum einstellte. Die Tabelle zeigte keinen Favoriten, beide Teams liegen im oberen Mittelfeld und können mit einem Sieg auf die PlayOff-Plätze Richtung Premier League rutschen. Nun also mit dem Vorteil für West Brom. Das noch junge Spiel nahm im Gegensatz zu gestern richtig Fahrt auf und entwickelte sich, auch angetrieben von der guten Atmosphäre, dass ich sowas mal von einem Spiel in England schreibe, zu einem munteren Gekicke. Und tatsächlich kam der Gastgeber schnell zurück und in einer unübersichtlichen Straufraumsituation entschied der Ref auf Penalty. Durch die hinter uns liegenden VIP-Räumlichkeiten hatten wir einen perfekten Blick auf die laufenden Wiederholungen und naja, was zum Geier hat der Unparteiische da gesehen? Meine Frage an die Nachbarn ob es den VAR hier in der zweiten Liga gibt, schüttelte er glücklich den Kopf und meinte “Hell na, but that penalty, we take it.” und lachte. Souverän vollendet brachte der Schütze das Stadion zum Eskalieren und peitschte die Anhänger durch seine motivierenden Handbewegungen dazu auf, weiterzumachen. Und auch seine Teamkollegen machten weiter. Noch vor der Halbzeit drehten die “Blues” das Spiel durch eine Ecke und die nachfolgende zweite Flanke zu Ihrem Vorteil und verwandelten “St. Andrews” in ein Tollhaus. Die Halbzeit brach diese gute Stimmung leider auf und das geschaffene Momentum war dahin. Die erst in der 50 Minute Stück für Stück zurückkehrenden Fans supporteten nicht direkt wieder, sondern ließen an den unterhalb der Haupttribüne sich aufwärmenden Gästespielern etwas verbalen Druck ab. Die eigene Mannschaft pushte das zwar nicht, aber das war erstmal zweitrangig, da es den Anschein machte, dass die elf Spieler auf dem Platz alles unter Kontrolle hatten. West Brom kämpfte sich gegen Mitte der zweiten Hälfte allerdings zurück, vergab eine Hundertprozentige und nutze auch weitere Möglichkeiten nicht. Durch jede vergebene Chance bzw. gute Abwehrleistung kam das Publikum mehr und mehr wieder zu sich und erzeugte das selbe Stimmungsvakuum wie noch gegen Ende der ersten Hälfte. Auch die Gäste waren nun regelmäßiger zu hören und veranstalteten, wenn auch noch im Rückstand, eine gute eigene Party im Eck. Der Stich ins Herz kam dann kurz vor dem Ende, direkter Freistoß in den Knick. Geiles Ding, eine große Traube aus Spielern, Trainern und Aufwärmenden an der Eckfahne vor einem und jeder Mitfiebernde am Eskalieren. Dieses Peak hielt bis zum Ende des Spiels an, die Mannschaft vergab sogar noch einen Konter und damit die Chance zum 4:1, aber das trübte die Stimmung kein bisschen. Was ich unverständlich finde, ist das Verlassen des Stadions direkt nach Abpfiff. Der 1906 eröffnete Ground leerte sich echt schnell, wir blieben aber noch zum Verabschieden der Spieler, da meine Begleitung wohl einen Herzensverein in England gefunden hat und deshalb auch die Runde der Spieler noch zelebrieren wollte.

Anschließend ging ich unerfolgreich noch kurz auf Hardcopy-Ticket Suche. Eigentlich hätten die zugeschickt werden sollen, aber nach vergeblichem Warten auf die Post schickte mir die Geschäftsstelle nach 6 Tagen eine Mail mit pdf.-Tickets im Anhang. Eins für mich konnte ich noch organisieren, aber ein Zweites fehlte noch. Aber anscheinend hat das ganze Stadion Dauerkarten oder eTickets. Unglaublich. Auf dem Weg vom Stadion in Richtung Busstation, von der um 1 Uhr unser letzter Bus zurück an den Anfang fahren sollte, sprach ich ein letztes Mal einen Fan mit seinem Sohn an, der mir eins seiner beiden Tickets in die Hand drückte. Ein wenig Smalltalk und Saisonprognosen später wurde das Sammlerstück triumphierend weitergereicht. 5 Spiele, 5 Tickets. Das macht die sammelnde Hoppernase glücklich. Genauso glücklich war die kleine Reisegruppe, als der Busbahnhof erreicht wurde und noch knapp 2 Stunden warten angesagt waren. Die Ironie ist verstanden? Gut. Was macht man in dieser Zeit? Komplett übermüdet aber glücklich am Bericht basteln, da die Erinnerungen frisch sind? Versuchen zu schlafen und Gefahr laufen diverse Gegenstände zu verlieren, da man an diesen Orten nicht alleine ist? Sinnlos vor sich hin vegetieren und die Eindrücke der letzten Tage versuchen zusammen einzuordnen? Wir haben uns für das Letzte entschieden und waren dankbar für die gemeinsamen Erlebnisse auf der Insel.

Auch diese Busfahrt zum Schluss wurde schlafend verbracht und so gegen 4 Uhr am Flughafen Stansted die nächsten Zelte aufgeschlagen. Zu jedem guten Trip gehört eine Stansted-Nacht, so dass meine Begleitung zumindest diese paar Stunden auf einer Bank liegend verbringen sollte, um die komplette Hoppingerfahrung mitzunehmen. Durch die Kontrolle in den geschlossenen Bereich und auf die erste freie Bank. Da das Gate erst gut 2 Stunden später bekannt gegeben wurde, hatte man die freie Wahl, entschied sich aber dazu, sich vor dem Eingang zu den Toiletten lang zu machen. Nicht bequem aber erholsam konnte so zumindest ne Stunde lang etwas Kraft getankt werden. Der ursprüngliche Plan mit einem 11 Uhr Spiel in der Nähe des angesteuerten Baden-Airparks wurde gestrichen, da Madame lieber etwas früher zuhause sein wollte, um sich für das Heimspiel gegen die Schichtarbeiter aus Wolfsburg vorzubereiten und ein kleines Mittagsnickerchen machen wollte. Warum ich dem zustimmte, verstehe ich bis heute nicht. So schaffte man es nach der Landung aber zumindest schnell durch die Grenzkontrolle, wenn auch etwas verballert, da natürlich auch der anderthalbstündige Flug wieder verschlafen wurde. Da alles lief, erreichten wir sogar noch den 2 Minuten später abfahrenden Flughafenbus, der uns quasi direkt vor dem im Wohngebiet abgestellten Auto rausschmiss. Einen Stop beim Bäcker und ne Stunde Fahrt bei Rechtsverkehr später, trudelte ich wieder zuhause ein, vesperte und zog mich für den Verein um, damit ich mal wieder rechtzeitig zum Treffpunkt mit den Kollegen erscheine. Was für überragende 5 Tage, alles hat wie geplant oder sogar besser funktioniert. Karma des Touranfangs? Mit den Gedanken dazu lass ich dich als Leser jetzt alleine.

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