Woche 10. Jede Ecke von Nica muss besucht werden.

Tag 67, 26.02.2024 – Schöne Fassade, aber dreckiges Innenleben.

Um kurz vor Sechs erwachte ich etwas verdatscht auf und musste mich erstmal sortieren. Nach dem klassischen Gang ins Badezimmer packte ich mein Equipment zusammen, weckte Branton, den Ami aus LA, mit dem ich mich am gestrigen Abend noch recht lange unterhalten hatte, und gab ihm so genug Zeit sein Zeug für den Grenzübertritt nach Nicaragua fertig zu packen. Er erzählte mir nebenbei von der gestrigen Abendveranstaltung in einem naheliegenden Stadion. Es gab Rodeo, Leute sind von Stieren weggerannt und insgesamt füllten zwei bis dreitausend Personen das Festivalgelände. Was zum Fick habe ich da verpasst? Naja, sei es drum. Der Schlaf tat mir auch gut. Wir liefen vom Hostel die weniger als 200 Meter zum Busbahnhof, setzten uns in den um halb Sieben abfahrenden Bus zur Grenze und erwarteten zwei Stunden Ruckelpiste. In dieser Zeit recherchierte ich nochmal alle Infos für die bevorstehende Aus- und Einreise, bezahlte meine Acht US-Dollar Gebühr für das Verlassen von Costa Rica direkt online und sparte mir so das Warten an einer der Grenzposten. Ich versuchte auch Branton davon zu überzeugen, doch er wollte es vor Ort machen. Etwas zügiger als gedacht hielt der Bus nach einigen Stopps mitten in der Pampa am nördlichsten Zipfel Costa Ricas, was für uns das Zeichen für den Ausstieg war. Wir liefen in ein recht neu aussehendes Gebäude, in dem ich erstmal nur das Bezahlen der Ausreisegebühr vermutete, da überall QR-Codes für genau diesen Vorgang aushiengen. Doch nachdem meine Begleitung das erledigen wollte und der Grenzer ihn darauf hinwies, dass er erst das Online-Formular ausfüllen und bezahlen müsse, damit er ihm einen Stempel geben kann, war klar, dass es sich dabei schon um den offiziellen Akt der Ausreise handelt. Also erledigten wir seine Bezahlung gemeinsam und stellten uns ein weiteres Mal an. Die beiden an diesem Morgen diensthabenden Beamten erledigten die Stempelvorgänge in einer Seelenruhe. Da aber auch nicht viel los war, warteten wir maximal fünf Minuten. Mit dem Farbklecks im Pass verließen wir das Gebäude und watschelten mit unseren Rucksäcken in Richtung Norden. Dort wollte erst ein weiterer Beamter auf Costa-Ricanischer Seite und anschließend eine normal auf die LKWs fixierte Grenzerin auf Staatsgebiet von Nicaragua unsere Pässe sehen. Sie schickte uns in das wohl modernste Gebäude des Landes. Klar, an der Grenze muss man zeigen, was man hat. Bezahlen lassen sie sich den Prunk aber von den Touristen und Grenzgängern, denn das Betreten des Gebäudes kostet erstmal einen Dollar. Diesen legte mir Branton aus, da ich lediglich einen Zwanni hatte. Nun ging es an den wichtigsten Moment, denn ich bereits von vielen Reisenden als kritisch wahrgenommen hatte. Mein zuständiger Beamter war super entspannt, fragte mich nach meinem Beruf und wo ich schlafen würde. Da ich noch nichts gebucht hatte, antwortete ich einfach Ometepe und kein Hotel. Damit war er zufrieden und gab mir nach dem Bezahlen von vierzehn US-Dollar meinen gestempelten und mit einigen Papierschnipseln versehenen Pass zurück. Normalerweise kostet der Vorgang nur dreizehn Dollar, doch mangels Wechselgeld bekam ich nur sechs zurück. Auch ne Taktik. Aber sei es drum. Vor dem Verlassen des offiziellen Bereichs checkte ein Beamte an einem großen Tor, durch das auch die LKWs fuhren, nochmal unsere Pässe auf beide Stempel und lies uns passieren. Und dann wurden wir belagert. Jeder der Einheimischen versuchte uns zum Geldwechseln, Taxifahren oder Kaufen von Lebensmittel zu drängen. Selten kam mir diese Art so nervig und unangenehm vor. Wir wussten zwar beide nicht wo genau die Chickenbusse abfuhren, doch liefen noch einige Meter. Bei einem inoffiziellem Geldtauscher fragte ich nach dem Kurs, den er mir anbieten würde, doch nachdem dieser rund zehn Prozent unter dem am Vortag lag, winkte ich ab. Nach gut 200 Metern entdeckten wir auf der linken Straßenseite ein kleines Busterminal, in dem einige Mini- und Chickenbusse standen. Perfekt. Der Preis für die gut dreistündige Fahrt sollte fünf Dollar betragen. Oder 150 Nicaragua-Cordoba, auch ein schlechter Wechselkurs. Nachdem wir um das Gebäude keinen Geldautomat fanden, beschlossen wir in den sauren Apfel zu beißen und in der Hauptstadt offiziell Geld zu wechseln beziehungsweise am Automaten zu holen. Nachdem wir in der letzten Reihe unseren Po auf den Sitz pressten, wurde der Bus voller und voller. Ich entschied mich meine verbliebenen fünf Dollar bei einem weiteren mit einer offiziellen Marke ausgestatteten Wechsler loszuwerden. Sein Kurs mit 1/36 war im Gegensatz zu den Mitbewerbern an der Grenze sehr fair, so dass ich mit meinen 180 Cordoba die Busfahrt direkt in lokaler Währung bezahlen konnte. Während des Tauschvorgangs hörte ich, wie an meinem Gefährt der Motor anging und sprintete nach dem Erhalt der schönen bunten Scheine in den Bus und konnte ihn vor dem Schließen der Tür noch erreichen. Doch im Inneren war aufgrund der ganzen Verkäufer, die einem wirklich alles versuchen anzudrehen, noch Betrieb. Essen und Trinken bin ich aus Costa-Rica bereits gewohnt. Aber Sonnenbrillen, Handyladekabel und SIM-Karten muss jetzt echt nicht sein. Wir konnten uns zum Glück durch unseren Platz im letzte Eck etwas zurückziehen, doch das Spektakel war schon witzig. Nach gut der Hälfte der Fahrt stieg ein älterer Herr ein, der anfing seine musikalische Exzellenz dem Bus zu präsentieren und ging natürlich anschließend mit Hut herum. Ausserdem steig bei jedem Halt ein Verkäufer diverser Früchte, Snacks wie Chips oder Kaltgetränken ein, versuchte seine Ware an den Passagier zu bringen, und verließ den Bus nach wenigen gefahrenen Metern wieder. Wirklich ein geiles Konzept. Neben diesem Trubel verbrachte ich die Zeit der Fahrt mit dem Spielen des Babys der Familie neben mir, das mich immer wieder ansah. Meine Grimassen schienen dem Racker zu gefallen, so gab ich ihm meine Finger zum Anfassen, ehe ich mit Winken und dem Auf- und Absetzen meiner Sonnenbrille vollends zum Babysitter und Clown wurde. Bis zum Ausstieg der Familie kurz vor Managua verging die Zeit so recht schnell. Wir verließen den Bus an der vermeintlichen Endhaltestelle im Zentrum, doch nicht jeder stieg aus. Nach meinen Recherchen endete der Bus allerdings dort, weshalb meine Planung von dort aus weiter ging. Wo auch immer der Kutscher sein Gefährt anschließend noch hinlenkte. Wir durchquerten einmal den lokalen Markt, kauften uns Chips aus Kochbanane und entdeckten nach dem Verlassen auch direkt den wohl dreckigsten Flecken Mittelamerikas. In einem Fluss schwamm unendlich Plastikmüll und zeigte damit das genaue Gegenteil des prachtvollen Gebäudes an der Grenze. Von diesen unterschiedlichen Bildern lassen wir uns aber nicht beeindrucken und bilden unsere eigene Meinung nach den Erlebnissen der Reisezeit. Nach dem Kauf eines Eises für weniger als 60 Cent und dem Besuch einer Mall, in dem es überraschenderweise kostenfreie und saubere Toiletten gab, hob ich einiges an lokalem Geld für die kommenden zwei Wochen ab. Wir liefen dann etwa 40 Minuten in der recht kräftigen Sonne zum UCA-Terminal, von dem die Kleinbusse nach León, einer Stadt gut zwei Stunden im Nord-Westen abfahren. Ich musste mir meinen Plan für die Zeit hier perfektionieren, da mir aufgrund des sehr kurzfristigen Spielplans nur wenige Möglichkeiten gegeben werden, an einem Ort lange Zeit zu verbringen. Dies wollte ich auf der Insel Ometepe machen. Also beschloss ich das Land von hinten auf zu rollen und in León zu starten, am Vormittag des Folgetages das bekannte Volcano-Boarding abhaken und anschließend wieder in die Hauptstadt zu fahren, um dort mit dem Spiel der U20 des Nationalteams, welches irgendeine Quali für nen Turnier im Nationalstadion spielen sollte, den Länderpunkt abzuhaken. Ausserdem war am Tag darauf, dem Mittwoch, ein Doppler in der zweiten Qualifikationsrunde des nicaraguanischen Pokals statt. Und ab dann war alles offen, da die Terminierungen der Ligaspiele noch nicht bestätigt wurden. Deshalb saßen Branton und ich nun gemeinsam im Shuttle nach León, bezahlten unsere lächerlichen 78 Cordoba (2,20 EUR) für die zwei Stunden Fahrt und staunten nicht schlecht, als der Fahrer wegen dem Harndrang des jüngsten Passagiers, einem etwa dreijährigen Mädchen, mitten auf der Schnellstraße anhielt. Anstatt zu einem Schnellrestaurant zu gehen, verhalf die vermeintliche Mutter des Kindes ihrem Schützling die Notdurft an diesem einladenden Ort zu verrichten. Als Dank bekam sie den Strahl auf den Schuh, welchen der Fahrer nach einer längeren Reinigung erst wieder im Bus akzeptierte. Zum Kopf schütteln. Die gut 90 Kilometer zogen sich trotz der zügigen Fahrweise des Kutschers aufgrund dieser außerplanmäßigen Pause und einer offiziellen Rast auf knapp zwei Stunden, ehe wir wieder am lokalen Busbahnhof den 18-Sitzer verlassen konnten. Und auch hier dasselbe Bild um den Ankerpunkt des ÖPNVs. Viele lokale Stände, Gewusel, Geschrei. Ein Traum von Dreck und Abfall, gepaart mit dem Interesse durch die Gänge zu schlendern. Doch mit unseren Rucksäcken der falsche Ansatz. Das Ziel war schnellstmöglich ein Hostel zu finden, welches uns aufnahm. Wir hatten bereits einige online gecheckt, aber nicht gebucht. So liefen wir eines nach dem anderen App, verglichen Preise und wollten uns für eines entscheiden, ehe wir nach einer weiteren guten Stunde des Herumlaufens mit Gepäck vor Ort die Absage bekamen, da während unseres Überlegens jemand anderes das freie Zimmer gebucht hatte. Allerdings konnten wir in diesem Hostel das Volcano-Boarding für den Folgetag buchen, Branton wollte als Eventie unbedingt den Trip mit Shirt und Essen, sowie dem kostenfreien Beachshuttle für nen Zehner mehr haben. Da die Tour mit und ohne diesem Paket mit verschiedene Abfahrtszeiten im Katalog stand, entschied ich mich dazu, ihm beizuwohnen und das Extrageld auszugeben. Nach dem Bezahlen ging es ins vierte Hostel, in dem wir von einem super strangen Gastgeber empfangen wurde. Er wirkte absolut streng, hatte keinen Bock auf uns und gab uns das Gefühl, dass wir mit unserem Spanisch nur Fehler machten. Und so schlecht war das nicht. Naja, egal. Für die groben Neun Dollar hatten wir eine Unterkunft und vor allem unseren Rucksack los. Der Ami vermutete aufgrund des Holzgestells der Betten direkt Wanzen, doch nun war es zu spät. Nach dem kurzen Entspannen suchten wir ein Restaurant auf, welches uns bereits bei unserem Irrweg durch die Stadt aufgefallen war, tranken dort ein Kaltgetränk und wollten eigentlich auch Essen. Doch die Happy Hour Deals, die wir zuvor sahen, waren bereits abgelaufen und auch sonst fragte uns keine der Bedienungen, ob wir auch was zwischen die Kiemen haben wollen. So recherchierte ich im WLAN nach einer Alternative und fand diese in “Tacos Marlene”. Der kurze Fußweg an den anderen Teil der Stadt wurde aufgrund des leeren Magens recht schnell abgepult. Die kleine Schlange vor der Lokalität versprach schonmal viel, galt aber zum Glück nur dem ToGo-Bereich vor der Eingangstür. Wir nahmen im Innenbereich platz und bestellten jeweils zwei Tacos. Dazu muss man wissen, dass dies keine mexikanischen Tacos sind, sondern knusprige Teigfladen, eingerollt wie Pfannkuchen und gefüllt mit Fleisch oder einem Käse, der mich stark an Halloumi erinnerte. Darüber gab es eine gute Portion Sauerkraut. Für mein Repocheta, so der lokale Name für diese Spezialität, bezahlte ich pro Stück 50 Cordoba, die Tacos mit Fleisch waren gleich bepreist. Nach dem Verdrücken der beiden Köstlichkeiten entschieden wir uns, nochmal eine Runde zu bestellen. Wirklich grandiose Essenkunst. Ich wünschte, während ich gerade diese Zeilen schreibe, nochmal einen dieser gebackenen Teigfladen zu verdrücken. Nach dem Bezahlen ging es wieder ins Hostel, wo ich eigentlich etwas am Laptop arbeiten wollte, doch aufgrund des schlechten Internets gehindert wurde. So entschied ich mich für den frühen Gang ins Bett und schlummerte noch vor Zehn ein.

Tag 68, 27.02.2024 – Mit einem Holzbrett geht es den Vulkan hinab.

Früh am Morgen war ich aufgrund der frühen Schlafenszeit bereits auf den Beinen, wollte mich aber noch nicht aus dem Bett bewegen. Man kennt es. Nach einer längeren Zeit des Entspannens raffte ich mich auf und schaute mal, ob es das laut Hostelworld verfügbare Frühstück tatsächlich gab, aber wurde bitter enttäuscht. Mittlerweile war auch Branton wach und schleppte sich zum Zähne putzen und packen seines Rucksacks. Mit etwas Verspätung liefen wir nach der Abgabe unseres Dormschlüssels zum Pick-Up Point für das Volcano-Boarding. Etwa fünf Minuten nach der abgemachten Uhrzeit kamen wir an und waren tatsächlich die Letzten. Doch da das Shuttle auf sich warten lies, konnten wir in aller Ruhe unser Gepäck im dafür eingerichteten Raum verstauen. Nach weiteren zwanzig Minuten bestiegen wir mit sieben anderen Touristen, vorrangig Deutsche, den Pick-Up und ließen uns zu einem naheliegenden Hostel, Restaurant und Organisationszentrum fahren. Hätten wir das gewusst wären wir gelaufen. Dort registrierten wir uns, bezahlten den Eintrittspreis für den Nationalpark und suchten uns das inkludierte T-Short aus. Vielleicht wanderten bei manchen Gästen auch Zwei im Schulterbeutel. Mit einem alten Schulbus und lauter Musik ging es nach einer weiteren Wartezeit durch Leon und das Umland, bis wir auf einer absoluten Schotterpiste ankamen. Das die Stoßdämpfer für so einen Untergrund nicht ausgelegt sind, war dem Fahrer egal, daher gab er weiterhin Gas, so dass wir im hinteren Teil des Busses gut durchgerüttelt wurden. Auf dem Feldweg begegneten uns einige Hirten mit ihren Kühen, viele Schlaglöcher, sowie eine Baustelle im letzten Drittel des Weges, bei der erstmal ein Erdhaufen zur Seite geschoben werden musste, damit wir passieren konnten. Allgemein war die Straße ziemlich schmal, so dass bei Gegenverkehr auch mal rückwärts gefahren werden musste, damit man eine breitere Stelle erwischt. Das mit einem ewig langen Chickenbus ist natürlich respektabel. Irgendwann waren wir am Eingang des Nationalparks angekommen und unsere Führerin klärte das Organisatorische, so dass wir nach einem kurzen Moment passieren konnten und nach weiterem Schleudergang an einer großen Wendefläche angekommen waren. Dort verließen wir den Bus, bekamen das Equipment für das Boarding in einer Art Turnbeutel und unser Board in die Hand gedrückt. Dieses war nur ein dafür präpariertes Stück Holz. Nix außergewöhnliches, aber deutlich schwerer als gedacht. Manche ließen sich das Brett sogar für ein Trinkgeld von Locals auf den Gipfel tragen. Nach dem Gruppenfoto ging es die paar Meter zur Spitze des insgesamt 726 Meter hohen “Cerro Negro”, dem neuesten Vulkan Mittelamerikas, 1850 entstanden, hinauf. Der letzte Ausbruch 1999 führte auch zu seiner Form und der darum liegenden Vegetation. Nämlich keiner, da alles verbrannte und ihm auch den Namen “negro”, übersetzt “schwarz” gab. Alle Hänge sind mit Vulkangestein und Asche gedeckt. Dies macht ihn für das Volcano-Boarding auch so interessant. Der Erste, der etwas in diese Richtung versuchte, war ein Franzose, der sich mit seinem Fahrrad vom Gipfel stürzte und dabei mies auf die Schnauze flog. Das Video ging damals viral und ist auch mit seit meiner Kindheit bekannt. Er wollte dabei den Geschwindigkeitsrekord mit einem Bike aufstellen und landete für ein Jahr im Krankenhaus. Doch die Idee war geboren und wurde immer weiterentwickelt, so dass heute tausende Touristen in die Gegend kommen um sich mit einem Holzbrett das Geröll herunter zu jagen. Der Hike war nach dem Überholen unserer Begleitung nach gut 30 Minuten erledigt, sie ließ mich nach dem ersten Stop aufgrund der verschiedenen Laufgeschwindigkeiten passieren. So hatte ich genug Zeit vom Startpunkt der wilden Fahrt noch den Gipfel zu besteigen, während der Rest sich noch abmühte. Und ich wiederhole nochmal, New Balance beste Wanderschuhe. Ich hatte auch genug Luft um meinen Plan für den Rest des Tages zu überdenken, denn geplant war ursprünglich das Abendspiel der Nicaraguanischen U20 im Nationalstadion, doch dafür musste ich nach der Action nach Managua fahren und hätte nicht mit meinem Amerikaner an den Strand gekonnt. Ich sah weitere Ansetzungen am Donnerstagmittag in eben diesem Ground, so dass ich mich für die sozialen Interaktionen entschied. Da mein Hostel in der Hauptstadt trotzdem bereits gebucht war, musste ich eben nach dem Strand noch dorthin kommen. Doch darüber machte ich mir nun keine Gedanken mehr, denn die Gruppe war zu großen Teilen mittlerweile angekommen, Wir zogen uns das Equipment, darunter ein Ganzkörperanzug, der den Körper vor Staub und Dreck schützen soll, eine Schutzbrille und ein Shirt zum Bedecken der Atemnwege, an, damit wir uns vor dem Staub bestmöglich schützen. Die entsprechenden Fotos haben natürlich Memepotential, aber finden sich trotzdem in der Bildergalerie. Als alle ihre Anzüge an hatten, ging es mit den Brettern ein paar Meter weiter den Berg hinunter. Dort befanden sich vier verschiedene Routen zum herunterschlittern. Natürlich wurde sich an der Schnellsten angestellt, doch zuerst wurden die anderen abgevespert. So standen meine Begleitung und ich am Ende als Letzte am Startpunkt und sprangen nach dem Kommando des Guides auf das Holzbrett. Jeder sauste so für sich den Vulkan hinunter und wurde dabei von einer Fotografin abgelichtet, um die bestmöglichen Erinnerungsfotos zu haben. Man dachte Profis. Tatsächlich war das Ganze ziemlich witzig und machte mehr Spaß als gedacht. Allerdings war man deutlich langsamer als ich gehofft hatte. Trotzdem bin ich froh diese Action gemacht zu haben. Nachdem auch Branton als Letzter in der Reihe im Ziel eintrudelte, packten wir das Zeug zusammen, befreiten unsere Klamotten vom Staub und genossen die uns in die Hand gedrückte Wassermelone. Nach dem Einladen der Beutel und Boards fuhr der Bus mit wiedermals lauter Musik in Richtung der Provinzhauptstadt, die die Erste in Nicaragua gegründete Stadt ist und heute knapp 200.000 Einwohner beherbergt. Tatsächlich schlief ich die knappe Stunde Fahrt und wachte erst mit Ankunft am Abfahrtsort auf. Dort gab es für die Teilnehmer der teurerer Variante, die wir dank Branton gebucht hatten, noch einen Snack. Dieser bestand aus einem Sandwich mit Frischkäse, darauf Avocado, Gurke und Tomate, sowie einem Kaltgetränk. Nice to have, doch die Zehn extra Dollar für Shirt und Essen hätte ich alleine wohl gespart. Doch wir wollen den Shuttle zum Strand nicht vergessen. Nach dem Essen ging es kurz ins Hostel, in dem wir unsere Rucksäcke deponiert hatten, Branton checkte für die kommende Nacht ein, und wir verließen es wieder in Richtung des Beach-Shuttles. Wir erwarteten eine feierwütige Meute, einige Personen und einen weiteren Bus. Da wir etwa 20 Minuten vor Abfahrt da waren, bestellte der Ami sich nen Bier während ich meine nicaraguanische SIM Karte bestellte und einrichten ließ. Funktionierte im Gegensatz zu Costa Rica wieder in zwei Minuten bis das mobile Internet kostengünstig lief. Könnte immer so easy sein, aber naja. Auch nach dem Warten der weiteren Minuten bis zur eigentlichen Abfahrt des Shuttles kamen keine weiteren Interessierten an, so dass wir am Stand mal vorsichtig nachfragten. Kommt gleich, jaja. Immerhin hatte ich meinen Länderpunkt verschoben. Als Deadline machten wir uns 16:00 Uhr, also 30 Minuten nach der eigentlichen Abfahrt aus. Kurz bevor die Uhr Vier anzeigte, wurden wir angetippt und an ein Taxi geführt. Dieses würde uns nun die halbe Stunde an den Strand fahren und um 18:30 Uhr von dort wieder in die Stadt fahren. Warte was? Also cool, dass ihr uns nen Taxi ruft, aber was? Warum gab es die festgelegte Uhrzeit, wenn wir anscheinend alleine waren. Die Shuttles zwischen Leon und Managua fuhren laut Auskunft bis etwa 19:00 Uhr, so dass eine Abholung um 18:30 Uhr am Strand, der etwa 30 Minuten von der Stadt entfernt liegt, eindeutig zu knapp. Während wir mit der Organisatorin diskutierten um früher mit dem “Shuttle” heimzukommen, staute sich der Verkehr auf der Straße, da es für den Fahrer unseres Taxis keine Möglichkeit zum Parken gab. Also stiegen wir ein und ich freute mich darauf, ein weiteres Abenteuer zu starten. Während der Fahrt plante ich nichts weiteres, sondern schrieb nur mit der Dame des Hostels. Doch ihr Chef blieb warum auch immer hart und ließ die Zeit des Shuttles, bei dem Branton und ich die einzigen Mitfahrer waren, nicht ändern. So musste ich mich entweder entscheiden den Strand bereits früher wieder zu verlassen um mit dem selbstbezahlten Linienbus beziehungsweise Taxi nach Leon zu kommen oder das Risiko einer eventuellen späteren Fahrt zwischen der Provinzhauptstadt und der Hauptstadt des Landes einzugehen. Doch darüber wollte ich mir nun erstmal keine Gedanken mehr machen. Dank eines vor uns langsam fahrenden Müllautos kamen wir erst gegen 16:45 Uhr am wunderschönen Sandstrand an, entledigten uns unserer Klamotten und sprangen in die Wellen. Diese waren wieder recht hoch und hatten eine wahrnehmbare Strömung in sich. Aufgrund der Vorgeschichte in Bocas del Toro machte ich langsam und bleib aufmerksam und vorsichtig. Branton war da etwas “mutiger” und ließ sich von den Wellen treiben, konnte aber ohne Probleme wieder an unseren Platz kommen. Nach einem Standortwechsel raffte ich mich auf, nach eventuell später fahrenden Shuttles in die Hauptstadt zu schauen, doch fand auf keiner Seite etwas. Ich entschied mich dementsprechend für die sichere Nummer und verließ den Ort namens “Las Penitas” vor Sonnenuntergang. So der Plan. Die lokalen Buszeiten schienen nicht wirklich zu stimmen, denn obwohl ich die Ortsstraße in Richtung der Hauptstraße entlang lief, passierte mich kein Bus, der längst hätte fahren sollen. Auch an der Kreuzung zur “Schnellstraße” nach Leon wartete ich vergebens auf einen lokalen Bus. Anfangs stand ich gemeinsam mit etwa 70 Schülerinnen und Schülern, die allerdings in die andere Richtung mussten und sich in einen mit einem Hupen ankündigenden Schulbus sprangen und dort wirklich zusammengeschoben wurden. Unglaubliches Bild. Einige mussten hinten einsteigen und drückten sich wie in einem japanischen Zug zusammen, damit der Gehilfe des Fahrers die Tür schließen kann. Dank etwas Glück kam kurz vor meiner Deadline um 18:00 Uhr ein Taxifahrer um die Ecke, der mich für 50 Cordoba, umgerechnet etwa 1,25 EUR, die 20 Kilometer in die Stadt mitnahm. Top Deal. Doch nur zum Busterminal im Westen der Stadt. Ich musste aufgrund der Lagerung meines Rucksacks noch zum Hostel, welches sich etwa 40 Minuten Fußweg nordöstlich davon befand. Außerdem fuhr der Kleinbus nach Managua vom Terminal im Osten, welches sich weitere 20 Minuten entfernt befindet. Und ein Besuch in Leon ohne vor der größten Kirche in Mittelamerika, der 1860 eröffneten “Cathedral de la Asuncion”, die vorallem für ihr begehbares Dach bekannt ist, ist auch kein Besuch in Leon. Also musste auch ein Schlenker darüber noch drin sein. Ziemlich viel Programm vor einem wichtigen Zeitpunkt. Die insgesamt 4,5 Kilometer zu Kirche und Hostel spulte ich in unter 35 Minuten ab, so dass ich nach der Herausgabe meiner Habseligkeiten etwa 25 Minuten hatte, um die zwei Kilometer zum Busbahnhof bei Dunkelheit anzutreten. Da diese Busse immer fahren, wenn sie voll sind, beeilte ich mich weiter und erreichte den Spot etwa zehn Minuten vor Sieben und stellte fest, dass sich ein nahezu leerer Sprinter an der Position befand. Perfekt. Erleichtert schrieb ich dem Ami, der am Strand verlieb und mittlerweile im Taxi zurück saß. Doch die Zeit verstrich und der Fahrer meines Gefährts machte keine Anstalten weiterzufahren. Ein weiterer Passagier zwitscherte mir irgendwann, dass die Fahrt nur stattfindet, wenn genug Mitfahrer auftauchen. Shit. Da wir nur zu Zweit waren und der Fahrer definitiv sein Geld für eine komplette Fahrt haben wollte, würde es teuer werden. Oder ich musste hier bleiben und eine Bleibe für die Nacht suchen, was ich definitiv vermeiden wollte. Nach weiteren 20 Minuten ohne das Auftauchen eines weiteren Interessierten wendete sich der etwa Zwanzigjährige nochmal zu mir und meinte, dass wir auch trampen können. Er würde mitkommen und mir die Sicherheit geben, damit ich es nicht alleine machen muss. Puh. Okay. An sich war ich dafür offen, wenn es keine andere Möglichkeit gab. Doch zum Glück öffnete sich eine andere Möglichkeit, denn neben uns parkierte gerade ein weiterer Minibus, dessen Fahrer noch nach Managua fahren wollte. Egal mit wie vielen Passagieren. Es war eine Sache der Verhandlung wie teuer die Fahrt werden würde, und nachdem es hieß, dass ich etwas weniger als die Hälfte der Kosten übernehmen sollte, obwohl mehr als 50 Prozent der Plätze besetzt waren, winkte ich ab und verhandelte selber. Ich wusste, dass ich definitiv genug Geld dabei hatte, aber wer so frech mit mir umgeht und sich es zu nutze machen will, dass ein Gringo im Auto sitzt, bekommt es auch zurück. So willigte ich 500 Cordoba, etwa 12,50 EUR ein. Originalpreis für eine Fahrt mit 15 Passagieren sind übrigens 78 Cordoba, also zwei Euro. Die Fahrt über war es recht ruhig im Fahrzeug, ich sortierte meine großen Scheine aus und versteckte diese im Geldbeutel, damit ich diese nicht beim späteren Bezahlen verfügbar hatte. Eine weitere Komponente spielte mittlerweile auch noch gegen mich. Mein Hostel in der Hauptstadt hatte nur bis etwa 22:00 Uhr eine Reception, ab 23:00 Uhr verlangte man sogar eine Aufpreis von 20,00 USD für den Check-In. So blieb ich mit diesen in ständigem Kontakt und ließ sie meine etwaige Ankunftszeit von 22:30 Uhr wissen. Zum Glück gab es bei dieser Fahrt keine Pause, so dass wir um etwa 22:10 Uhr an einer Tankstelle in der Nähe des Minibus-Bahnhofs, auch bekannt als UCA, hielten. Mein Hostel war nur wenige Minuten Fußweg entfernt, daher hatte ich keine Bedenken hier jetzt noch etwas abzuziehen. Der Begleiter des Fahrers sammelte das Geld der Mitfahrer ein, doch nur drei Leute mussten bezahlten. Eine Frau, der Junge mit dem ich hätte trampen können und ich. Ich zählte verzweifelt meine im Geldbeutel verbliebenen Scheine und musste enttäuscht feststellen, dass ich nur noch 370 drin hatte. Umgerechnet 10 Dollar. Ich war innerlich echt überrascht, dass es immer noch so viel war. Der Opa, der das Einsammeln übernahm, war voller Wut, wie das sein konnte. Ich übersetzte auf Google Translate und machte auf dummen Tourist, der den Umrechnungskurs nicht kannte, da ich erst am letzten Tag ins Land kam und daher nicht wusste, wie viel Geld ich im Geldbeutel hatte. Ausserdem zählte ich mehrfach die besetzten Sitze des Busses und machte ihm damit zu verstehen, dass ich nicht für alle Mitfahrer zahlen werde. Dann mischte sich sein Sohn ein, der meinte, dass dies alles Familie sei und deshalb nicht zählte. Ich übersetzte ihm auf meinem Handy, dass ich als Gringo nicht dafür zahlen werde, er froh sein soll, dass er zumindest etwas bekommt und die Strecke sowieso gefahren wäre. Ich hielt ihm mein Handy hin und er tippte direkt eine Antwort. “Er behält jetzt mein Mobiltelefon, da der Sprit bezahlt werden muss.” Ich lachte etwas auf, wandte mich an den anderen jüngeren Mitfahrer und bat ihn ebenfalls für meine Partei einzuschreiten. Er zuckte nur hilflos mit den Schultern, so dass ich es mit meinem grottigen Spanisch versuchte. Der Sohn des Geldeintreibers meinte, dass auf dem Tankstellenparkplatz bereits Polizei sei, die gerade mit etwas anderem beschäftigt war, aber wir dorthin gehen können um das zu klären. Zu seiner Verwunderung stand ich mit meinem in der Vorbereitung bereits gepackten Sach auf und willigte diesem ein. Kurz bevor wir bei den Bullen waren, zog er jedoch den Schwanz ein und versuchte es nochmal mit einem Gespräch. Ich wollte zuerst mein Handy haben, welches er mir aushändigte und im Gegenzug das präsentierte Geldbündel aus meiner Hand riß. Ich hätte mir gewünscht, dass ich während der Diskussionsphase noch einige Scheine in meine Hosentasche wandern lassen hätte, doch dazu hatte ich in der Anspannung nicht gedacht. Ohne das Bündel zu zählen liefen die beiden fluchend und wutentbrannt zu ihrem Personentransporter zurück und ließen mich laufen. Perfekt. Die wenigen Minuten Fußweg zum Hostel legte ich trotz der Dunkelheit und der vorangegangenen Geschichte ohne Probleme zurück, checkte einigermaßen pünktlich und ohne Extrakosten ein und schlief kurz darauf in meiner Bleibe für die nächsten beiden Nächte ein.

Tag 69, 28.02.2024 – Was machst du Mittwoch vormittags um Zehn?

Da der Länderpunkt am Vortag nicht eingetütet wurde, musste dies an diesem Morgen geschehen. Durch etwas Instagram-Recherche fand ich die Ansetzungen für die zweite Qualifikationsrunde des nationalen Pokals. Die Erstligisten waren erst ab dem anschließenden Spieltag im Topf, daher konnte man sich schonmal auf unterklassige Spiele mit schlechten Plätzen vorbereiten. Doch der Schein trügte, dass sah ich bereits während der Recherche. Der Kick um 10 Uhr am Mittwochmorgen, zwei Zweitligisten duellierten sich, fand im Stadion der Sportbehörde statt, einem 8.000er mit ansehnlicher Tribüne und einigen um eine Laufbahn vorhandenen Stufen. Doch vor dem Spiel wachte ich früh im Hostel auf, holte mir auf dem Weg bei einer Straßenverkäuferin kostengünstig zwei mit Zucker überzogene Kringel und in einem naheliegenden Supermarkt Bananen und Schokomilch aus der Plastiktüte. Was ein Leben. Die etwa 40 Minuten Fußweg waren recht zügig abgestrampelt. Es ging dabei durch etwas schäbigere Siedlungen der Millionenstadt Managua, doch während des Tages fühlte ich mich hier sicher. Mit Ankunft am Stadion fragte ich den diensthabenden Security nach dem Eingang, da maps mich in die andere Richtung lotste. Doch ich war bereits am richtigen großen Eingangstor angekommen. Gegenüber des Fußball- und Leichtathletikstadions befindet sich die Baseballanlage, dazwischen ein kleiner Parkplatz, an dem sich die Gegner im Moment meines Erscheinens gerade in ihren Autos umzogen. Kabinen gibt es wohl keine. Ich konnte einfach in den Ground marschieren, Eintritt wurde keiner verlangt. Nach meiner Fotorunde, während der das Spiel anfing, setzte ich mich auf die Schatten spendende Tribüne, gemeinsam mit etwa 30 anderen Zuschauern, die sich den Grottenkick auf dem trockenen Rasen gönnten. Gastgeber war CD Junior Managua, nach drei durchgeführten Spieltagen Aufstiegskanidat in Liga eins, aber erst 2015 gegründet. Ich fand über den Verein nur wenige Informationen, anders beim heutigen Gegner, Chinandega FC, 1975 gegründet und in der Saison 20/21 aus der ersten Liga abgestiegen, ging als Favorit in dieses Pokalspiel. Beide Teams sind zur Zeit im Unterhaus beheimatet, allerdings in zwei unterschiedlichen Staffeln. Doch obwohl die Favoritenrolle eher den Gästen zugesprochen wurde, mussten diese auf dem schlechten und wirklich trockenen Platz ziemlich rudern. In der 22ten entschärfte ihr Keeper zwei Chancen mit einer starken Doppelparade nach einem Freistoß und dem daraus folgenden Kopfball, allerdings vom eigenen Verteidiger. Den versuchten Abstauber aus drei Metern parierte er mit einem starken Reflex. In der 30sten dann das verdiente 1:0 für die spielstärkeren Gastgeber nach einem flatternden Distanzschuss aus 25 Metern. Richtig schön in den Winkel gezimmert, schönes Tor und keine Chance für den Keeper, vor allem da auch der durch den Ground ziehende Wind seine Finger im Spiel hatte. Die Gäste hatten nach einem Entlastungsangriff noch eine Möglichkeit in Halbzeit eins, doch diese verpuffte. So ging es mit einer knappen Führung in die Kabine, beziehungsweise auf die Tribüne. Die Ansprache des Gästetrainers erfolgte im Publikum, seine Schützlinge mischten sich unters Publikum. Während der zweiten Hälfte versammelten sich etwas mehr fußballinteressierte im Rund, doch über 100 stieg die Zahl der Zuschauer definitiv nicht. Einige fliegende Händler versuchten mit irgendeinem Stuß noch Geld zu machen, doch da stießen sie bei den Meisten auf taube Ohren. In der 60sten fiel das verdiente 2:0 nach einem Abstauber, denn einen Schuss aus der Distanz konnte der Keeper nur nach vorne abprallen lassen, von wo er volley verwertet wurde. Abseitsverdächtig, doch der Linienrichter ließ seine Fahne unten. Der ehemalige Erstligist gab sich bei der Hitze dann auf und rannte nicht mehr wirklich hinterher. Dementsprechend grottig war die letzte halbe Stunde, in der ich nochmal eine Fotorunde machte. Absolut nicht empfohlen ist der Gang auf die Toilette in diesem Ground. Selten etwas Widerlicheres gesehen. Nach dem Abpfiff war ich dementsprechend recht froh, dass sich ein kleiner Supermarktkomplex in der Nähe des Areals befindet, in dem ich meine Notdurft verrichten konnte. Während dieser ausgedehnten Zeit spülte mit der Instagram-Algorithmus eine Werbung eines Costa-Ricanischen Fernsehsenders in die Timeline, in der die Übertragung des Testspiels der Nationalmannschaft gegen Argentinien beworden wurde. Spielort: das Memorial Coliseum in Los Angeles, Spieldatum: 26.03.2024. Da ich mich vom 21.03. bis zum 25.03. aufgrund des Nations League Finales in den USA befinde, wurde etwas umher geplant. Um diese Information zu verifizieren besuchte ich die Seite des argentinischen Verbandes und fand dort eine Meldung über den heutigen Start des Verkaufs für Copa America Tickets, die im Juni ebenfalls in den USA stattfinden wird. Dies war mit einer der Hauptgründe für die Reise, daher wurde sich dann erstmal mit Interessierten aus der Heimat connectet und Tickets geordert. Manchmal muss man Glück haben, danke Instagram. Nachdem die Kreditkarte glühte und einige Tickets den Weg in den Warenkorb fanden, verließ ich die Mall zwei Stunden später und startete meine eigentlich geplante Sightseeing-Runde durch die Hauptstadt. Zuerst wollte ich zum städtischen Vulkansee gehen, allerdings nicht über den Park, welcher Eintritt kostet, sondern von der anderen Seite. Dort fand ich auch eine Straßenverkäuferin vor, die mit eine mit Käse gefüllte Kartoffel und scharfem Sauerkraut für wenig Geld verkaufte, und zog anschließend weiter. Nach einigen Fotos ging es mehr in Richtung Innenstadt, in der ich mir nochmal etwas kulinarisches gönnte. Diesmal allerdings zum Hinsetzen, denn das Problem mit ToGo-Essen ist das Fehlen von Mülleimern. Kein Wunder, dass die Einheimischen ihren Müll einfach überall hinwerfen. Nirgends befinden sich die Tonnen. Egal, ich hatte keine Lust die Verpackung ewig durch die Stadt zu tragen, daher setzte ich mich mit einem Teller hin und genoß meinen mit Käse und Salat belegten dicken Pfannkuchen, darüber eine Art Frischkäse in der Konsistenz von Mayonnaise. Nennt sich Güirilas Rellenos de Quesillo, und war absurd lecker. Erinnerte mich etwas an die Chorreadas in Costa Rica. Nach dem Verputzen ging es noch zur Kathedrale, dem menschenleeren Marktplatz vor dem Nationalpalast und ans Ufer des “Lago Xolothan”, dem großen Vulkansee. Von dort aus sieht man die Vulkane im Norden und hat mit Sichheit eine entspannte Atmosphäre zum Abhängen. Doch für mich ging es zügig weiter, denn die Qualifikationsrunde gab noch ein zweites Spiel in Managua her, dazu ein offensichtlich schwer zu kreuzender Platz. Dieser befindet sich auf dem Gelände der renommierten Universität Americana, daher wollte ich rechtzeitig dort sein, falls es Probleme beim Einlass geben sollte. Ich lief von der Innenstadt etwas mehr als eine Stunde dorthin, holte mir in einem Supermarkt noch kühle Getränke, ehe ich tatsächlich vor einem Checkpoint der Uni stand. Der wachhabende Officer wollte meinen Ausweis sehen, doch nachdem ich ihm die Ansetzung des Spiels auf meinem Handy zeigte und etwas in meiner Tasche nach meinem Reisepass kramte, damit er die Daten aufnehmen konnte, winkte er mich einfach durch. Danke. Beeilen hätte ich mich allerdings nicht müssen, denn der Anpfiff auf dem noch schlechteren Rasenplatz verzögerte sich. Alle Linien waren zwar mit Kreide gezogen, allerdings auf einem Streifen aus Dreck, da wohl ansonsten einfach ohne weiße Markierungen, sondern mit einer Unterscheidung zwischen Rasen und Dreck, gespielt wird. Was zum Henker. Die Zuschauer versammelten sich außerhalb des eingezäunten Käfigs und ließen sich auf dem Boden nieder. Es hab nur wenige Sitzmöglichkeiten an drei Tischen, dazu ein paar Holzbänke. Ich setzte mich innerhalb des Innenraums an die Eckfahne, an der etwas Platz war. Den Referee juckte es nicht, mich nach ein paar Minuten allerdings schon, da sich einige Ameisen zu mir gesellten. Zur Historie der Vereine, der Gastgeber, America Managua, spielte letztmals 2011 in der ersten Liga, wurde aber bereits 1972 gegründet und 1985 das erste Mal Meister. Lange Zeit war man der renomierteste Verein der Hauptstadt, ehe man nach der Saison 2010/2011 einen kleinen Skandal an der Backe hatte. Nach einem Spiel gegen Xilopelt, welches augenscheinlich vom Eigentümer aufgrund des drohenden Abstiegs geschmiert wurde, wurde vom Verband ein Wiederholungsspiel angeordnet, zu dem man aufgrund des eventuell kommenden Ausschlusses nicht mehr antrat. So stiegen die roten Teufel, wie der Verein genannt wird, lieber direkt ab. Seitdem konnte man den Aufstieg ins Oberhaus aber nicht mehr realisieren. Der Gast, Real Madriz, und nein, kein billiger Abklatsch des spanischen Serienmeisters, wurde 1996 gegründet und steht für das gesamte Department, quasi Bundesland, namens Madriz, Hauptstadt Somoto. Im Jahr 2021 wurde man Pokalsieger, stieg aber zeitgleich aus der ersten Liga ab. Seitdem dümpelt man in der zweiten Liga herum, will aber wieder den Sprung nach oben schaffen. Das Spiel ist schnell erzählt, zumindest die ersten 45 Minuten. Die Gäste zeigen ihre Dominanz und liegen bereits nach zehn Minuten mit zwei Toren in Front. Das dritte fiel nach einer guten halben Stunde, sodass sich Unmut und Unstimmigkeiten auf dem Platz ausbreitete. Doch noch in Halbzeit eins schwächte sich der Favorit mit einer roten Karte nach einem Foul und einer vermeintlichen Tätligkeit an meiner Eckfahne. Ich schätze die Situation nicht rotwürdig ein, doch der Verteidiger durfte nach dem angeblichen Schlag auf den Kopf frühzeitig duschen gehen. Weiter passierte in der ersten Hälfte nichts mehr, so dass ich die Umgebung etwas anschaute. Hinter dem Spielfeld grasten Ziegen in einem abgesperrten Waldstück, in direkter Umgebung befindet sich noch eine Turnhalle, aus der auch immer wieder Schreie kamen. Musste ich nach dem Abpfiff eventuell auch mal noch vorbeischauen, falls es ansehnlichen Volleyball zu sehen gab. Doch nun sollte es erstmal auf dem halbgrünen Platz weitergehen. Nach einer Stunde Spielzeit konnte der Gastgeber unter großem Jubel, mittlerweile waren sicher hundert Zuschauer an der einen begehbaren Seite des Zauns versammelt, den Anschluss erzielen. Auch Tröten konnte ich vernehmen. Sogenannte Atmosphäre, wow. Keine zwei Minuten später das 2:3. Dabei nietete der Gästekeeper den Stürmer, der den Ball an ihm vorbeispitzelte komplett um und fing sich dementsprechend nicht nur das Gegentor sondern auch eine gelbe Karte. Nun stand hier alles Kopf und das Momentum komplett bei den Gastgebern. Madriz versuchte in Unterzahl wieder Kontrolle und Ruhe ins Spiel zu bekommen, und schaffte das aufgrund des taktischen Vorteils auch. Man merkte, dass die Spieler nicht nur physisch sondern auch fußballerisch klar besser eingestellt waren und deshalb rannte der Gastgeber lange an, war im Gesamten aber zu hektisch. Viele individuelle Fehler ließen den Traum vom Dreher platzen, jeder Angriff wurde zu unsauber beendet und endete meist in einem Entlastungskonter für den Gast. Das Anrennen bedeutete für viele Spieler der Heimelf ab der 85sten Krampattacken, so dass der Trainerstab minütlich verzweifelte, wenn wieder jemand aufm Boden lag oder humpelte. Einer der vorher erwähnten Entlasstungsangriffe sorgte in der Nachspielzeit für Klarheit, der zwei Tore Abstand wurde wieder hergestellt. Durch das ewige Bruddeln und Beleidigen der Gastspieler von den Heimfans an der Seitenlinie, jubelte der dunkelhäutige Verteidiger von Madriz sehr emotional in ihre Richtung und fing sich im Gegenzug wenige aber hörbare Affenlaute. Fickt euch. Volle Solidarität mit Opfern rassistischer Anfeindungen. Hier passierte aber zum Glück nichts weiter, kurz darauf war Schlusspfiff und nach dem Empfang der Mannschaft, die mit Applaus für den Kampf belohnt wurde, lief ich noch zur Volleyballhalle. Dort fand ich aber nichts Spektakuläres vor, so dass ich die halbe Stunde ins Hostel marschierte, dort den Plan für die USA verschrifltichte und einige ToDos erledigte, bevor ich wieder ins Bett hüpfte und schlummern ging.

Tag 70, 29.02.2024 – Das Angebot am Schaltjahr.

Wieder war ich viel zu früh wach, diesmal wollte ich diesen Vorteil aber nutzen und erledigte meine Hygienetodos bereits um Sieben. Mit frisch gemachten Nägeln und Klamotten setzte ich mich an den Laptop und schrieb am Blog. Heute wollte sich auch Branton, mein Ami aus LA, auf den Weg nach Managua machen, um mit mir das Nationalstadion zu kreuzen. Bis zu seiner Ankunft, er musste mit dem Minibus von Leon kommen, wollte ich den neuesten Wochenbericht veröffentlichen. Dies klappte nicht ganz, da er deutlich früher im Hostel auftauchte als vermutet. Deshalb konnte er sich noch eine gute Stunde entspannen, was er sehr gerne annahm. Nach meiner getanen Arbeit liefen wir in die Stadt, unser Ziel war ein Subway, denn am heutigen 29.02, Schaltjahr, gab es ein spezielles Angebot. Zwei 30-Zentimeter-Subs zum Preis von einem. Doch im Einkaufszentrum ums Eck angekommen, zeigte sich, dass nicht nur ich von diesem Deal mitbekommen hatte. Etwas mehr als 30 Personen standen in der Schlange des Fast-Food-Giganten, so dass wir nach einer kleinen Tour durch das recht luxuriöse Shoppingcenter wieder den Weg in Richtung Stadt einschlugen. ich zeigte ihm meine gestrigen Highlights, konnte aber leider am kleinen Vulkansee keine Kartoffel mit Käse mehr ergattern. Im Einkaufszentrum in dieser Area war die Subway-Schlange ebenfalls zu lang für unseren Geschmack, dafür gab es an dem kleinen Markt, an dem ich am Vortag das Güirilas hatte, auch andere Optionen. Wir entschieden uns dafür, an diesem Ort zu speisen, auch weil Local Food nochmal besser ist als etwas Geld zu sparen. Doch für den Gag wäre es witzig gewesen. Ich entschied mich diesmal für einen übergrößen Quesillo, einen dünnen Pfannkuchen mit einem Käsefladen und ordentlich Zwiebeln belegt, dazu eine weiße Sauce, die ich geschmacklich in Richtung Knoblauch verordnen würde. Super lecker, die dazu bestellte kalte Trinkschokolade passte zwar nicht ganz dazu, aber war trotzdem erfrischend. Nach dem Stärken ging es wieder zur Kathedrale und zum großen Platz, natürlich zum Leuchtturm am See, und anschließend mit einem Tuk-Tuk-Taxi zum Nationalstadion. Pro Person weniger als ein Dollar für etwa zwanzig Minuten Fahrt. Das ist mal ein Ding. Die Partie, die in dem bekannten Ground mit der übergrößen Gegengerade stattfinden sollte, war ein Qualifikationsspiel für das U20-CONCACAF-Turnier im Sommer, welches in Guanajuato in Mexico stattfinden soll. Die Teams von Anguilla und den Britischen Jungferninseln trafen hier aufeinander, warum auch immer. Die bekannte Haupttribüne war leider geschlossen, trotzdem konnte man über die seitlichen Treppen bis nach oben laufen, allerdings nicht mittig gehen. Bei der Hymne schmuggelte ich mich in den Innenraum und machte ein paar Bilder, ehe ich rausgeschmissen wurde. Sorry, aber wenn ihr die Türen auflässt. Nach einer kompletten Bilderrunde, also wieder die Treppen hoch und runter, verzogen Branton und ich uns aufgrund der krassen Sonneneinstrahlung in den wieder nicht verschlossenen VIP-Bereich, in dem tatsächlich einige Offizielle verweilten. Diese ließen sich durch uns aber nicht stören, dadurch nahmen wir in einer der Suites Platz. Mit dem Hinsetzen schossen die Jungs von den Virgin Islands das 1:0, sehr zum Unmut unseres Suitenachbarn, der sich laut aufregte. Und man musste ihm recht geben, absoluter Bock des Keepers, der den Ball nach einem Schuss aus etwa zwölf Metern mehr oder weniger nur über sich rollen ließ. Nach 25 Minuten das 2:0 nach einer Ecke, wieder war der Keeper beim Ball, faustete aber ins Leere, so dass der Stürmer easy einköpfen konnte. Vor der Trinkpause der Anschluss, zumindest vermeintlich. Der Referee aus El Salvador entschied trotz des Zappeln des Balls im Netz aufgrund eines vorangegangenen Fouls auf Elfmeter. Erst nach langer Diskussion konnte die Mannschaft von Anguilla jubeln. Während der Zeit nahm ich Kontakt mit dem Dude von eben dieser Insel auf und sprach über viele Sachen mit ihm. Man weiß ja nie, wann man nach Anguilla kommt und einen Local braucht. Er erzählte uns, dass die meisten Spieler sowohl den Pass des Inselstaates, aber auch den UK-Pass aufgrund des Status als Overseas-Territory haben. So konnte der Großteil mit dem UK-Pass über die USA einreisen, da der Pass von Anguilla dazu nicht berechtigen würde. Drei Spieler mussten aber den Weg über Panama gehen, da sie dieses Privileg nicht haben. Dort wurden sie wegen einer fehlenden Gelbfieberimpfung aber an der Grenze abgewiesen, so dass die Mannschaft nun ohne ihren Stammkeeper und zwei andere gesetzte Spieler auskommen muss. Er erzählte auch etwas über die Liga und lud mich nach dem Tauschen der Kontaktdaten auf die Insel ein. Beste Voraussetzungen, also drückte ich seiner Nation für die zweite Hälfte die Daumen, wobei die Chancen auf eine Qualifikation sehr gering waren. Man musste dieses Spiel noch gewinnen, am folgenden Samstag ebenso, dazu mussten die Jungferninseln noch gegen Belize verlieren. Doch zumindest der Sieg heute sollte kommen, in Halbzeit zwei startete man deutlich stärker. Die Gegner, bei denen auch einige Engländer aufliefen, die tatsächlich mit ihren Familien auch in London wohnen und zu den Spielen der Nationalmannschaft auf die Insel pendeln, stellten sich nur hinten rein und versuchten die Zeit aufgrund der wirklich nicht guten fußballerischen Skills rumzubekommen. Einige Chancen konnten die Jungs aus Anguilla sich erspielen, doch keine davon reichte für ein Tor. Mit der Zeit kam auch Frust auf, wobei die Jungfern auch gut provozierten. Bälle wegschlagen, laute Motivationsschreie in der Nähe der Gegenspieler und so weiter. So schaukelte sich die Intensität hoch, bis ein Zweikampf im Mittelfeld mit etwas Ellenbogen geführt wurde. Der Mann von Anguilla, den der Angriff traf, war ausser sich und musste von vier Mitspielern in Richtung eigener Bank geschoben werden, damit er dem Gegenspieler, der nur gelb sah, nicht noch eine Faust schiebt. Der Coach nahm ihn vorsichtshalber deshalb direkt runter. Wenige Minuten vor dem Ende dann das für die Virgin Islands erlösende 3:1 nach einem direkten Freistoß in den Knick. Wir hatten uns mittlerweile auf eine der beiden 7-stufigen Hintertortribünen gesetzt, da sich die Sonne hinter der Gegentribüne verabschiedet hatte. Nach Abpfiff feierten die Gewinner ihre sichere Qualifikation und wir liefen wieder zum Hostel ins Zentrum. Ich musste lediglich meine Rucksack holen, da es noch am selben Abend nach Granada gehen sollte, eine Stadt, die ich mir unbedingt anschauen wollte. Mit meiner Planung war ich allerdings sehr unzufrieden, da ich ewig auf die Veröffentlichung des Spielplans für die zweite Liga wartete, in der Hoffnung, noch ein Freitagsspiel zu haben. Aber egal, nun war die Unterkunft in Granada gebucht, daher suchte ich mit dem Gepäck an der nahegelegenen Bushaltestelle nach dem ersten Bus in diese Richtung und wurde nach kurzer Wartezeit angehupt und in den Wagen geschoben. Mein Rucksack wurde mir aufgrund des enormen Andrangs und dem in der Spitze handgezählte 56 Personen in diesem Bussle mit lediglich 27 Sitzen abgenommen und vorne beim Fahrer gelagert. Das machte mich natürlich etwas unruhig, da ich meine Habseligkeiten teilweise nicht sehen konnte, aber was willst da machen. Kurz vor der Endhaltestelle, mittlerweile hatte ich auch einen Sitzplatz und der Bus war wieder angenehm gefühlt, schultere ich mein Gepäck und lief die letzten zehn Minuten bis zu meiner Bleibe. Angekommen wurde der Check-In mit dem Start eines Quizes unterbrochen. Ich klärte schnell, dass ich noch mitmachen konnte und schrieb mich ausserdem für die am folgenden Tag stattfindende Free-Walking Tour ein. Während der Receptionist noch meinen Pass fürs Registrieren brauchte, saß ich bereits mit zwei anderen Urlaubern an einem Tisch und rätselte bei der QuizNight. Der Vibe in dem Hostel war von Anfang an sehr cool, man fühlte sich, zumindest in dieser Konstellation, sofort willkommen. Am Ende wurden unsere entspannte Dreiergruppe Zweiter von Vier Teams, gerade in der Kategorie “My little Pony oder Pornstar” räumten wir ab. Wobei ich da entgegen meiner Erwartungen nicht der Experte war. Die Gewinner des Gesamtspiels traten allerdings als großes Team mit zehn Leuten an, so dass sie den Hauptpreis, eine Flasche Rum wirklich krass teilen mussten. Unser Preis war eine Runde Freishots, die ich in einen alkoholfreien Cocktail ummünzte. Nach längeren Gesprächen am Abend ging ich gut erledigt ins Bett und erwartete für den Folgetag endlich Planungssicherheit.

Tag 71, 01.03.2024 – Unzufriedener Standortwechsel.

Es ist kein gutes Zeichen, wenn der erste Reflex nach dem Aufstehen der Griff zum Handy und das Checken des Zweitligaspielplans ist. Dieser wurde noch nicht veröffentlicht, so dass ich mich entschied, meinen Stay in Granada nicht zu verlängern und aufgrund der Flexibilität nach Managua zurückzukehren. Jedoch nicht ohne vorher die Innenstadt von Granada anzuschauen. Vor dem Start der Free-Walking-Tour gab es noch das im Übernachtungspreis inkludierte Frühstück, bestehend aus zwei trockenen Scheiben Toast, Gallo Pinto und etwas Spiegelei, sowie eine gute Stunde Arbeit am Laptop. Die Tour startete um kurz nach Zehn, war aber echt nicht so spannend. Neben ein paar Fakten zur Geschichte der Stadt und der Rivalität mit Leon als ehemalige Hauptstadt Nicaraguas, zeigte uns der Guide drei Kirchen, sprach etwas über die politische Situation im Land, was mich tatsächlich wunderte, dass er das aus freien Stücken und so offen tat, sowie viel über den Künstler Rubén Dario,  den wohl bekanntesten Sohn des Landes. Da wir einen großen Teil der Stadt nicht anschauten, entschied ich mich meine Spende etwas kleiner zu halten, und stattdessen mit anderen aus dem Hostel, nach einem kurzen Stop in diesem, nochmal ins Zentrum zu gehen. Im Hostel versuchte ich mir mein Ticket für das Spiel im Colosseum in LA zu besorgen, da der Vorverkauf gestartet hatte. Dies klappte erst nach dem Hochfahren des Laptops, am Handy stürzte es immer wieder ab. Mit dem Ticket im Gepäck ging es zu einem renommierten Laden in der Fußgängerzone, beziehungsweise wie es hier heißt, dem Central Market. Dieses Restaurant ist für seine Bananenburger bekannt. Jedoch nicht die Patties, sondern das Bun besteht aus der Frucht. Dazu gibt es vegetarische und vegane Auswahl, also perfekt für das westliche Touristenpack. Die Preise sind auch entsprechend, doch wenn man schonmal hier ist, dann gibt man das Geld auch aus. So nahmen wir als Fünfergruppe in der kleinen Lokalität Platz, wurden komplett verwöhnt und erhielten neben einer Vorspeise aufs Haus auch noch einen kostenfreien Nachtisch, der mich an Baklava erinnerte. Super lecker und eine absolute Empfehlung in Granada. Der Laden nennt sich “Tostometro” und ist super einfach zu finden. Einem weiteren Tipp für eine lokale Speise wollten wir anschließend nachgehen, doch dieser Store war geschlossen, so dass sich die Wege der Gruppe trennten. Die Meisten wollten sich für das abendliche “Treehouse”, einer Party im Wald, die jeden Freitag in der Umgebung von Granada stattfindet und der Grund weshalb 90% der Touristen in dieser Stadt sind, fresh machen. Ein anderer wollte sich schonmal betanken und ich ging meines Weges um die Stadt anzuschauen. Schöne Gebäude, eine alte Festung, die Lage direkt am See. Es gibt schon einige schöne Ecken in dieser 1524 gegründeten Stadt, die immer wieder von Erdbeben heimgesucht wird. Wie aber auch das ganze Land, da man eben zwischen zwei Kontinentalplatten liegt. Deshalb gibt es in der Gegend auch viele Vulkane. Nachdem ich meinen Fußmarsch beendet hatte und wieder im Hostel ankam, widmete ich mich dem Planen meiner verlängerten USA-Reise und der kostengünstigen Rückkehr nach El Salvador. Mehr als eine Stunde töftelte ich herum, ehe ich einen guten Weg fand, wenn auch meine Zeit in Mittelamerika dadurch deutlich verkürzt wurde. Trotzdem war ich zumindest damit zufrieden und verabschiedete mich anschließend von den bekannten Gesichtern im Hostel, die sich zu der “Treehouse”-Party aufmachten, jedoch nicht ohne sich vorher mit einem Mahl aus Ananas und anderen Früchten, an dem sie mich teilhaben ließen, zu stärken. Auch meine Zeit in Granada war damit beendet und ich holte meine Rucksack aus dem Gepäckraum und lief in Richtung des UCA-Terminals. Wieder war ein Bussle nahezu abfahrbereit, was meistens ein Zeichen für einen Stehplatz ist. So war es auch, diesmal konnte ich meinen Rucksack aber bei mir behalten. Nicht ganz so überfüllt aber trotzdem gut eng, ging es die anderthalb Stunden während des Sonnenuntergangs in die nun nächtliche Hauptstadt, ehe ich frühzeitig das Gefährt verließ, um nur noch wenige Minuten Fußweg zum Hostel, welches das gleiche des vergangenen Aufenthalts war. So dauerte der Check-In keine fünfzehn Sekunden, nur das Geld musste übergeben werden. Ich setzte mich bis Elf nochmal an den Laptop, ehe ich vom Host ins Bett geschickt wurde, da alle Gemeinschaftsbereiche ab eben dieser Uhrzeit geräumt werden müssen. Komische Herangehensweise, aber so kommt man wenigstens zeitig ins Bett.

Tag 72, 02.03.2024 – Sternenhimmel.

An diesem Samstag stand wieder Fußball auf dem Plan. Mein erstes Erstligaspiel sollte geschaut werden. Dazu wollte ich, trotz der Anstoßzeit um 18:00 Uhr, bereits früh in Diriamba sein. Nur gut eine Stunde mit dem Bus ist dieser Ort von meinem Aufenthaltsort entfernt, allerdings sollte bereits um Elf ein U17 Spiel, welches nach einer vernommenen Aussage ebenfalls 90 Minuten gehen soll, und für mich damit zählbar ist, stattfinden. Ich hatte auch ein 15:00 Uhr Spiel noch im Kopf, allerdings zerschlug sich dieses recht zeitnah, da ich die Ansetzung mit Sonntag verwechselt hatte. Während ich nun also vom Hostel zum Busterminal lief, telefonierte ich über eine Stunde mit einem guten Freund, von dem ich lange nichts mehr gehört hatte, und lief mehr oder weniger sinnlos durch die Gegend. Mein erster Gedanke war der Besuch eines Sportplatzes, auf dem vielleicht auch noch ein frühes Spiel stattfinden könnte, doch da die Entfernung doch etwas zu weit war, entschied ich mich, am UCA-Terminal zu warten. Nachdem das Telefonat beendet war, sprang ich in den ersten Bus nach Jinotepe, der durch Diriamba fuhr. Mit Ankunft um kurz vor Zehn reichte die Zeit noch für eine gemütliche Runde Sightseeing mit Marktplatz und Kirche, sowie einigen anderen Ecken, unter anderem das Stadion, welches am Abend gekreuzt werden sollte. Etwa eine halbe Stunde lief ich von dort zur “Escula des Talentos”, einem Areal mit insgesamt vier Fußballplätzen, jedoch drei trockenen Rasen, deren Tore ohne Netze da standen. Lediglich der Kunstrasen schien gepflegt, hierüber jagten gerade auch noch jüngere Spieler. Nach dem Bezahlen des Eintritts von fünf Cordoba, umgerechnet zwölf Cent, durfte ich das anscheinend von der FIFA ausgezeichnete Areal betreten und freute mich darüber, zwei Stunden in der Mittagshitze zu stehen. Glücklicherweise fand ich während meiner Fotorunde einen guten Schattenplatz nahe einer der Eckfahnen und konnte dem Gewusel innerhalb des eingezäunten Käfigs beobachten. Bereits nach fünf Minuten führte die Jugend von Dirigien, die ich auch als klarer Favorit sah. Die Jugendlichen von “La Masia”, dem Auswärtsteam, sahen in den ersten zwanzig Minuten kein Licht. Doch dann drehte man auf, erzielte nach einem Freistoß, der an den Pfosten knallte und abgestaubt wurde, den Ausgleich und konnte in der 70sten das Spiel nach einem Kopfballtor nach einer Ecke sogar drehen. Während ich meine Runde drehte, zerpflückte der VfB gerade Wolfsburg, was ich mir dank flashscore sogar audiovisuell anhören konnte. “Nach all der Scheiße, gehts auf die Reise, Stuttgart international”. Ich freue mich, im Sommer wieder in der Landeshauptstadt zu sein. Ich bekam einige kuriose Blicke der Einheimischen zugeworfen, was ich hier bei diesem Jugendspiel in der hinterletzten Prärie zu suchen hätte, doch daran hatte ich mich mittlerweile gewöhnt. Nach dem Abpfiff und dem Sieg des Aussenseiters feierten die Spieler wie bei einem Titelgewinn. Für mich ging es wieder in die Stadt. Ich überlegte die fünf Stunden in verschiedenen Lokalitäten rumzubekommen, entschied mich aber dafür mit einem Shuttle ins zehn Autominuten entfernt liegende Jinotepe zu fahren, um mir auch dort die Stadt anzuschauen. Allerdings wollte ich auch hier schauen, ob auf dem Sportplatz was los ist, doch fand dort ebenfalls nur einen brach liegenden Rasen vor. Pflegt die Kacke doch mal, was ist mit euch. Da der Magen nun langsam rebellierte und etwas zum Essen wollte, kehrte ich in einem lokalen Restaurant an. Dies bot mir Pupusas, eine Spezialität aus El Salvador, gefüllt mit Käse, Oregano und Jalapenos, dazu das klassische Gallo Pinto und einem frischen Fruchtsaft aus Ananas und Mango. So kann man es sich gut gehen lassen. Das anschließende Sightseeing wurde mit frischen Mangostreifen und einem Quesillo genossen, bevor ich den Weg nach Diriamba fußläufig antrat. Natürlich lief ich an einem laufenden Fußballspiel vorbei und erkundigte mich, was dies für eine Partie war. Ü35, über zwei Halbzeiten á 35 Minuten. Glück gehabt. Ob vorher ein Spiel war wollte ich gar nicht wissen, daher drehte ich eine Runde, machte Bilder und verließ das Gelände wieder in Richtung des “Estadio Cacique Diriangén”. 1992 eröffnet, 2017 renoviert, beherbergt es einen der ältesten noch bestehenden Fußballvereine Mittelamerikas. Diriangén FC, 1917 gegründet und 31-facher nicaraguanischer Meister ist der wohl bekannteste Verein des Landes und stieg seit der Gründung der Liga im Jahr 1931 noch nie ab. Größter Rivale in der heutigen Zeit ist Real Esteli, die ebenfalls auf eine ruhmreiche Vergangenheit zurückblicken. Doch dazu nächste Woche mehr. Am Stadion angekommen, fand ich erstmal einen unbewachten Eingang, den ich direkt mal nutzte und den Sonnenuntergang im weiten Rund beobachten konnte. Ich verließ meinen Platz wieder und fand ein Flugzeug an einer der Außenanlagen stehen. Was zum Henker? Nach einem Erinnerungsfoto suchte ich einen normalen Eingang auf, um zu prüfen, ob es hier tatsächliche Papiertickets geben würde. Doch nachdem mir bereits auf dem Weg in Richtung des Haupteingangs mehrfach versucht wurde, ein Armband anzudrehen, machte ich kehrt und lief zu meinem ausgemachten Schlupfloch. Dort konnte ich über offene Türen in den normalen Zuschauerbereich gelangen und sah, wie etliche Fußballbegeisterte über die Außenmauern kletterten, um dem Spiel beizuwohnen. Erst kurz vor dem Einlaufen der beiden Mannschaften schaltete die Regie das Flutlicht an, dazu sag man nach dem Ankommen der beiden Mannschaften am Mittelkreis die Nationalhymne. Auffallend, dass alle Spieler und Fans sich während des Singens in Richtung Süden drehten. Danach gab es endlich mal wieder Support. Die Barra des Gastgebers hatte angeflaggt, dazu melodischer Support mit Glocken, Trommel und Schlachtrufen. Auch länger anhaltende Gesangs-, Klatsch- und Hüpfeinlagen über die komplette Spieldauer ließen den Support nicht eintönig werden. Auch die vorhandene Variation zwischen einzelnen Elementen und anschließendem dazukommen weiterer Instrumente, wie einer Trompete, stellt für mich ein gutes Gesamtbild dar. Außerdem sah ich im Ground wieder viele fliegende Verkäufer, die versuchten alles Mögliche an Essen, Trinken und Süßkram an den Fan zu bringen. Dazu Straßenhunde, die immer wieder versuchten, das eben erworbene von diesen Fans zu ergattern. Ein top Bild. Das Geschehen auf dem Rasen war recht einseitig. Man merkte sofort, wer der ungeschlagene Tabellenerste und wer Achter war. Die Gäste aus der Hauptstadt, UNAN FC, die Mannschaft der autonomen Universität, ist eine klassische Fahrstuhlmannschaft, die es allerdings in der Apertura 2015 schaffte, tatsächlich Meister zu werden. Seitdem erreichte man ausser dem Gewinn der zweiten Liga in der Saison 20/21 aber nichts mehr. So spielten die Spieler auch, denn bereits nach einer Viertelstunde rannte man einem verdienten Rückstand hinterher. Ein Handelfmeter vor der Halbzeit sorgte noch für einen größeren Vorsprung des Favoriten, ehe direkt nach dem Wiederanstoß der Entstand von 3:0 markiert wurde. Die rund 500 Fußballinteressierte, darunter keine erkennbaren Gäste, sahen anschließend auf dem Rasen eine langweilige Partie, doch das Geschehen auf den Rängen war deutlich interessanter. Die laut einem T-Shirt 2019 gegründete “Barra Dirigién”, die auf ihrer Zaunfahne auch einen Sponser, eine überregionale Fitnesskette, hatte, ziehte ihr Ding durch und lieferte weitere Variationen. Trompetensolo, Papierkonfetti, Sprungeinlagen. Der Ground, auf beiden Längsseiten mit einer etwa 50 Meter langen Überdachung, rundherum Stehstufen und bemalten Mauern um den kompletten Sportplatz, bietet Platz für mehr als 7.500 Zuschauer, die am letzten Spieltag gegen Esteli anscheinend auch da waren. Leider erlebte ich dieses große Spektakel heute nicht, trotzdem war ich mehr als zufrieden. Beim Verlassen des Grounds entdeckte ich noch einen anderen Hopper, mit dem ich kurz quatschte und Nummern für die eventuell gemeinsam angehende Aufgabe in Honduras austauschte. Danach trennten sich die Wege und ich hoffte, einen Bus in Richtung Managua zu erwischen. Gegen 20:00 Uhr sollte doch noch was fahren. Ich lief zur Hauptstraße und verfolgte dieser bis zur großen Tankstelle an einer Kreuzung, an der ich während des Tages die Busse stehen sehen hatte. Der ein oder andere fuhr vorbei, doch hielt auf mein Handzeichen nicht an. So entschied ich mich mehr in Richtung Managua zu laufen und stoppte nach etwa 30 Minuten wieder bei einer Tanke und versuchte den Anhalter zu machen. Doch nur ein profitinteressierter Taxifahrer hielt an und bot mir einen Preis von 20 US-Dollar für die Fahrt an. Ich lehnte ab und sprach anschließend ein paar tankende Locals an, die jedoch alle nur wenige Kilometer in die Richtung fuhren. Ich entschied mich wieder zurück an die große Tanke in der Ortsmitte zu laufen und dort mehr Einheimische anzusprechen. Leider drückte auch die Zeit wieder etwas, denn ab 23:00 Uhr kam ich nicht mehr ins Hostel. Bei einer Fahrtdauer von etwa einer Stunde sollte ich hier spätestens um 21:45 loskommen. Da es mittlerweile bereits Neun war, durfte nicht mehr allzu viel passieren, ehe ich ein teures Taxi nehmen musste. An der Tanke angekommen stellte ich mich erstmal wieder mit dem Daumen an die Straße und hatte Glück das recht schnell ein Pick-Up anhielt. Ich machte die Türe auf, doch der Fahrer des vollen Autos gab mir zu verstehen, dass ich auf die Ladefläche soll. Dort saßen bereits seine beiden ältesten Kinder gemeinsam mit einer Bananenstaude und einem Kinderwagen. Top. Ich versicherte mich bei Ihnen, dass es in die Hauptstadt ging, was sie bestätigten. Leider waren die etwa zehn und zwölf jährigen Jungs nicht ganz so geübt im Umgang mit Google Maps, so dass ich das genaue Ziel der Reise nicht abschätzen konnte. Ich genoss dafür den Augenblick mit Fahrtwind im Gesicht die Sterne zu genießen, während ich in Nicaragua auf der Ladefläche eines Pick-Ups per Anhalter über die Schnellstraße bretter. Was eine Story. Doch es wurde noch besser, denn während ich meinen Fokus in den Himmel hatte, sah ich eine Sternschnuppe. Die Erste jemals. Ich wünschte mir etwas und war glücklich. Je näher wir in Richtung Großstadt kamen, desto über checkte ich meine Route ins Hostel und hätte an einem Punkt, einer roten Ampel, tatsächlich abspringen und mich verabschieden können und wäre fußläufig pünktlich vor 23 Uhr angekommen. Doch natürlich war ich etwas zu gierig und hoffte, dass es noch weiter in die Stadt ging. Leider war das Gegenteil der Fall und es ging über eine abbiegende Schnellstraße in Richtung Leon. Shit. Ich machte den Kindern klar, dass ich so langsam absitzen sollte, und diese gaben die Info an ihren Dad weiter. So wurde ich etwa zehn Kilometer entfernt von meinem Bett an einer Schnellstraße ausgesetzt und wanderte bei Dunkelheit auf dieser entlang. Wenn ich Autolichter sah hob ich meinen Arm und tatsächlich hielt ein Sammeltaxi und nahm mich mit. Für, so verstand ich den Fahrer, zwei Dollar brachte er mich in die Nähe meiner Bleibe, da er noch andere Fahrgäste hatte, ging es vorher aber noch zu einer kleinen Stadtrundfahrt. An der Tanke angekommen wurden aus den zwei Dollar spontan 200 Cordoba, also gut 6 Dollar. Da ich nur 120 der Landeswährung und zwei Dollar hatte, bat ich ihm diese an und er akzeptierte das Geld. Glück gehabt. Nach dem kurzen Fußweg zum Eingangsportal fiel ich total müde, aber glücklich ins Bett und freute mich auf die längere Tour am Folgetag. 

Tag 73, 03.03.2024 – Wo bin ich?

Entsprechend früh klingelte der Wecker. Bereits um 07:45 fuhr mein geplanter Bus in den Norden, genauer nach Ocotal. Dafür wollte ich aber schon um 07:25 am “Mercado Mayoreo”, dem Busbahnhof im Nordosten der Stadt, sein. Da ein städtischer Bus des lokalen Verkehrsunternehmens von nahezu meinem Hostel dorthin fahren sollte, entschied ich mich gegen ein Taxi oder den Fußmarsch von acht Kilometern. Der Weg zur Haltestelle führte lediglich über einen Supermarktparkplatz. Dachte ich. Auf der einen Seite, dem Eingang, war offen. Die Rückseite geschlossen, also wieder zurück, eine Abkürzung gesucht und die nächste Sackgasse entdeckt. So muss es sein. Mit der drängenden Zeit im Nacken im Sprint aus dem Areal und den offiziellen Weg zur Parkbucht. Keine zwei Minuten später stand der Kutscher mit seinem Gefährt da und ließ mich für umgerechnete 0,15 EUR mitfahren. Mein Check auf der App “moovit” ergab aber sofort eine andere Route als eingezeichnet. Naja, solang das Endziel stimmt. Mit meinem Handy und dem offenen google maps in der einen und meinen ganzen Habseligkeiten in der anderen Hand stand ich also im Gang rum und hoffte, dass die Fahrt bald ein Ende am gewünschten Haltepunkt hat. Um die Hauptstraße, die direkt dorthin führen würde, wurde schön Zick-Zack gefahren, trotzdem reichte die Ankunft mit 07:39 Uhr wohl noch knapp. Im Sprint ging es zur groben Location auf google maps, denn der Abfahrtsort der Langstreckenbusse ist nochmal ein paar Straßen, in denen lokale kleine Märkte und Stände aufgebaut sind, entfernt. Den Bus nach Esteli und Ocotal habe ich sofort am Ende der Plattformen entdeckt und bin rein. Natürlich ohne Ticket, dass ich bei anderen schon auf den ersten Blick erspottet habe. Egal, der Fahrer wird auch cash nehmen. Keine 120 Sekunden später rollte der Bus aus dem abgesperrten Terminalbereich und ich war erleichtert. Natürlich funktionierte die Kommunikation mit dem Assistent des Fahrers, so dass ich bar zahlen konnte. Nebenbei verkaufte er noch Getränke und Sandwiches ans hungrige Publikum. Insgesamt hielt der Bus nur wenige Male, daher war ich im Gegensatz zu den Chickenbusfahrten recht zügig an meinem Ziel. Doch es sollte ja noch weiter gehen. Weiter in den Nordosten, bis kurz vor die hondurianische Grenze. Der Ort nennt sich Jalapa, ist bekannt für die Tabakproduktion und allgemein viel Landwirtschaft. Ungefähr 70.000 Menschen leben im Einzugsgebiet, dass flächenmäßig zu den größten im Land gehört. Ausserdem hausiert hier mit ART Municipal auch ein städtischer Erstligist, der heute mit dem Verein aus Club Deportivo Ocotal den großen Rivalen aus Nordnicaragua zu Gast hat. Doch bevor ich von Ocotal nach Jalapa fahren konnte, der Bus startete nach Fahrplanaushang erst in etwa 40 Minuten, ging es in die Innenstadt und zu etwas Sightseeing. Kirche, Park. Alles wie immer. Dazu einige Essensstände, an denen es lokale Köstlichkeiten gab. Ich sah eine Frau Reis in einen Teig füllen und das panieren und bestellte eines dieser vor Fett triefenden Köstlichkeiten mit Kraut. War natürlich klar, dass meines nicht mit Reis gefüllt war, sondern mit Chicken. Ficken. Naja, bestellt ist bestellt und Lebensmittelverschwendung ist scheiße, in dem Sinne mit schlechtem Gewissen runtergewürgt, während ich wieder zur Hauptstraße lief, an der ich den Bus vermutete. Nach einer Haltestelle habe ich mich ehrlich gesagt nicht umgeschaut, da ich überzeugt war, dass der Bus sowieso halten würde. Ein Mopedfahrer, der mich ansprach und fragte, wo ich den hin wollte, brachte mich etwas aus dem Konzept, da er mich dann zur nächsten offiziellen Haltestelle bringen wolle. Ich lehnte dankend ab, da bereits ein Bus in Sichtweite war, der zeitlich zu meinem Transport nach Jalapa passen könnte. Während der Zweiradfahrer mit plattem und eierndem Rad abfuhr, hielt der Bus vor meiner Nase und ließ mich einsteigen. Wie immer befanden sich fliegende Händler im Inneren, von einer kaufte ich mir trockene Keksempanadas, die mich über die ewig dauernde Fahrt aber gut versorgten. Allerdings muss man die schöne Landschaft positiv hervorheben, denn was hier an Natur an einem vorbeizog, konnte schon echt was. Im Bus selbst fand aber ein fliegender Wechsel statt, niemand fuhr die komplette Distanz von Ocotal bis Jalapa, die schlussendlich drei Stunden dauerte. Für 70 Kilometer. Irgendwann stiegen knapp volljährige Mädels mit Trikots der Gastmannschaft in den Bus und fingen vor mir an sich zu schminken. Highlight. Nachdem wir einige einspurige Brücken und kurvige Pässe hinter uns gelassen hatten, kamen wir in der Provinz an. Nicht einmal die Kirche und der Park machten was her. Nachdem ich die Runde durch den Ort gelaufen war und mir mein Ticket für das Spiel im Vorhinein am Stadion geholt hatte, setzte ich mich etwas enttäuscht mit einem Schokotrink ausm Plastikbeutel und zwei Banane von  meiner Lieblingssupermarktkette vor selbige und machte eine Pause. Anschließend ging es wieder zum Ground, jedoch nicht ohne vorher zu spotten, was der Security mit den Papiertickets macht. Natürlich halbieren. Nett fragte ich, ob ich meines in Gänze behalten dürfe, da ich es sammel. Er zeigte mir den Daumen und signalisierte mir so freie Bahn für mein Eintreten ohne das Ticket großartig zu zerstören. Mit der Zeit füllte sich der Ground echt gut, die Haupttribüneaus Betonträgern mit ihren 7 Holzbalken als Reihen, dazwischen große Lücken und absurd viel Müll, wurde voll. Auch die offenenen Stehplätze um das Gitter auf zwei Seiten wurden mehrreihig besetzt. Einige der im Stadion befindlichen Zuschauer verzichteten gänzlich auf den ordnungsgemäßen Einlass und kletterten, wie schon in Diriamba, einfach über die Mauer und genossen das Spiel kostenfrei. Bereits in der vierten Minute konnten die knapp 1.000 Interessierten das erste Highlight beobachten. Elfmeter wegen Trikotziehens. Kann man geben, kann man auch so souverän schießen. Halbhoch rechts reicht und damit das frühe 1:0 für die Gastgeber. Die Fans aus Ocotal verteilten sich im Ground, zwei Trommler machten sich mit ihren Familien, die teilweise T-Shirts der “Barra Fiel” (Treu) tragen, vor der Haupttribüne bereit, aber ausser rhythmischem Klopfen passiert nicht viel. Von der Heimseite ist hingegen gar nichts sichtbar. Schade, da hatte ich mehr erwartet. Was ich allerdings genauso erwartet habe, waren die Sanitäranlagen. In der Mitte der Haupttribüne, unter einer nicht mehr benutzten Sprecherkabine, waren drei komplett vergammelte und eigentlich nicht mehr nutzbare WCs. Aber es waren die einzigen der Anlage, also die Besten. Da bin ich mir sicher, dass die Zuschauer, die es sich auf einer Anhebung ausserhalb des Stadions gemütlich gemacht hatten, komfortabler pissen konnten. Aber egal, Ground zählt für euch nicht. Auf dem Rasen passierte bis auf den Elfer erstmal nichts weiter, erst nach einer guten halben Stunde kamen die Gäste, die als Siebter zum Dritten angereist waren, zu einer guten Chance nach einem Freistoß, der aber zur Ecke geklärt werden kann. Während auf der Wiese zwischen Tribüne und Zaun zum Spielfeld einige Kinder einem eigenen Ball hinterherjagten, nahm die Partie Fahrt auf. 35ste Minute nach einem Steilpass und der damit herausgespielten eins gegen eins Situation das 2:0 für die 2011 als Nachfolgeverein des insolventen lokalen Vereins. Dieser ging in die Geschichtsbücher ein, da er nach der Meisterschaft 2001/2002 in finanzielle Schwierigkeiten geriet und viele Spieler verkaufen musste. Dadurch verlor man seine drei internationalen Spiele mit insgesamt über 40 Gegentoren, darunter ein 17:0 und ein 19:0. 2008 meldete man sich nach dem Abstieg dann nach drei Spieltagen im Unterhaus ab. DIe Fans sehnen sich wohl auch wieder nach einem starken Verein in der Stadt, denn beide Tore wurden frenetisch bejubelt. Gute Szenen. Aber auch die Gäste aus Ocotal waren emotional dabei, nach einem nicht gegebenen Elfmeter während einer strittigen Situation sieht ein bruddelnder Spieler gelb, der Trainer sogar rot. Applaudierend in Richtung Schiedsrichter verlässt er den Sportplatz und regt sich weiter auf. Dann war Halbzeit und ich schaute mich bei den Ständen im Stadion, die allerhand Essen verkauften, um. Allerdings fand ich dabei nichts wirklich Interessantes. Das gab es hinter der Tribüne, dort fertigte eine Anwohnerin auf ihrem Herd einen Teigfladen mit einer zu diesem Zeitpunkt undefinierten Creme und Käse an, wovon ich mir einen gönnte. Fleisch war es meiner Einschätzung nach nicht, da sollte ich in den kommenden Tagen auch die Bestätigung bekommen. Trotzdem fühlte ich mich unsicher und wollte nicht noch eins probieren. Die zweiten 45 Minuten starteten etwas ruppiger als die erste Hälfte. Auch Chancen auf beiden Seiten wurden sich direkt herausgespielt. Nach einer Stunde Spielzeit dann der vermeintliche Anschluss, doch während die Flanke von rechts in der Luft ist und der Stürmer zum Kopfball hochsteigt, pfeift der Schiri zum Elfmeter wegen eines Schubsers. Der Kopfball fliegt allerdings in die Maschen, die Mannschaft rennt zur Eckfahne und jubelt und wird vom Schiri mit Unverständnis zurückgepfiffen. Wieder gibt es lange Diskussionen, wieder wurden Karten gezeigt. Nach langer Beratung entscheidet das Gespann auf “No Goal” und Elfmeter. Voller Wut wird dieser in den Winkel geknallt und damit ist der Anschluss nun auch offiziell vermerkt. Und die Gäste wollen mehr. In der 75sten fällt dann tatsächlich der Ausgleich, ich habe mich vor die rechte Seite der Tribüne gestellt, da sich dort einige Anhänger beider Lager angesammelt haben und in aller Regelmäßigkeit provozieren. Natürlich jetzt nach dem 2:2 auch wieder. Mehrere Gäste ziehen in der Emotion ihre Trikots aus und halten diese den Heimfans vor die Nase. Geile Szenen. Dazu Wolfsgeheul, warum auch immer. Und die Gäste drücken weiter, können ihre Überlegenheit und Chancen aber nicht mehr nutzen. Auf der Gegenseite wird ein Fehler im Spielaufbau aber auch nicht genutzt, um den Heimsieg klarzumachen. Allgemein geht es am Ende gut hin und her, auch die Fans sind voll dabei und stehen auf den Holzbalken. Von den rund 1.000 Zuschauern werden gute 10 Prozent Gäste gewesen sein. Trotzdem war die Stimmung im Großen und Ganzen friedlich und angenehm. Nach dem leistungsgerechten Unentschieden verweile ich noch etwas im Ground bevor ich dann zum Busbahnhof marschiere. Dieser ist nahezu komplett verwaist, nur einige shady Personen lungern herum. Da mein Bus in Richtung Managua am nächsten Morgen bereits um 03:00 Uhr den Busbahnhof verlassen soll, entschied ich mich gegen eine Unterkunft und hoffte, die Nacht so verbringen zu können. Ich lief ein bisschen herum und fand eine Bleibe an einem Baumarkt, hinter einem Stromgenerator. Dort schaute ich ein wenig in mein Handy und wartete, bis die Zeit verging. Den im Bus sollte ich sicher gut schlafen können, denn es ging zu einem der Highlights der Reise, auf die nächste Insel.

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